Seit geraumer Zeit macht sich BlueBrixx einen Namen bei Fans der aus Klemmbausteinen gebauten Zügen. Die hier nach dem Tiefladewagen 100854 nun unter genauerem Augenschein genommene V 100 hat sich mittlerweile zum Dauerbrenner für das in der Nähe von Frankfurt ansässige Unternehmen gemausert – sobald nachbestellte Exemplare eingetroffen sind, sind diese auch schon wieder weg.
Zur Lokomotive
Die V 100 wurde 1956 in Kooperation des Bundesbahn-Zentralamt München und der Maschinenbau Kiel entwickelt und anschließend von 1958 bis 1963 in verschiedenen Ausführungen gefertigt. Sie stellt den Nachfolger der ebenfalls bekannten V 80 dar. Von der Deutschen Bahn Ende der 1950er Jahre angeschafft, kam die Diesellok vor allem auf nicht elektrifizierten Nebenbahnen zum Einsatz und sollte dort vor allem die mit Dampf angetriebenen Zugmaschinen ersetzen. Hier kam sie sowohl im Güter- wie auch im leichten Personenverkehr zum Einsatz. Je nach Baureihe kamen Motoren von Maybach, MAN oder Mercedes Benz zum Einsatz, welche allesamt über 12 Zylinder verfügten und mit ihren bis zu 809 kW / 1.100 PS eine Spitzengeschwindigkeit von 90 km/h ermöglichten. Insgesamt wurden 364 Exemplare gebaut, der letzte Vertreter wurde in Deutschland 2004 ausgemustert.
Von 1962 bis 1965 wurde der Loktyp als V 10020 in einer leistungsstärkeren Variante mit 993 kW / 1.350 PS in 381 Exemplaren gefertigt. Einige wenige Exemplare sind heute noch im Bauzugdienst im Einsatz.
Das Modell
Das knapp 25 Euro teure Set erreicht die Baumeister wie von BlueBrixx gewohnt in einer neutralen Verpackung, welche mit 408 unsortierten Teilen in sechs Tüten gefüllt ist. Mit Rotbraun fällt schon in den ungeöffneten Verpackungen die vorherrschende Farbe auf, direkt gefolgt von Schwarz. Das Sortieren der einzelnen Teile nimmt, je nach Genauigkeit, rund 10 bis 15 Minuten in Anspruch. Die Teile selbst halten keine Überraschungen bereit, so verfügt das Set über mittlerweile zum Standard gehörende Bausteine, wie sie bereits vom dänischen Marktführer oder anderen Herstellern bekannt sind.
Der Aufbau
Wer bereits bei BlueBrixx gekauft hat, wird den Umstand kennen, für Neulinge sei es aber noch einmal erwähnt: Damit diese den Preis für ihre Sets so niedrig wie möglich halten können, wird nicht nur auf eine aufwendig gestaltete Verpackung, sondern auch auf eine gedruckte Anleitung verzichtet – solche würden bei den geringen angeforderten Stückzahlen in denen BlueBrixx fertigen lässt den Preis eklatant in die Höhe treiben. Daher ist für den Zusammenbau neben der als PDF-Datei über die Bluebrixx-Website heruntergeladene Bauanleitung auch ein PC oder ein Tablet erforderlich. Ein Smartphone würde sich theoretisch auch verwenden lassen, ist aber aufgrund der geringen Display-Größe weniger zu empfehlen.
BlueBrixx gibt immer an, dass sie Modelle für Erwachsene und nicht für Kinder bauen, was auch dieses Mal der Fall ist. Die einzelnen Bauschritte dürften aber auch für Kinder ab 12 Jahren kein Problem darstellen, im Gegensatz zu Modellen anderer Hersteller für die jüngere Zielgruppe handelt es sich bei der V 100 jedoch um ein recht filigranes Modell, welches zwar auf den Schienen verwendet werden kann, bei anderen Abenteuern jedoch nicht lange überleben wird.
Leicht verständliche Anleitung
Die Anleitung selbst ist übersichtlich gehalten und von guter Qualität, nur hier und da muss anhand der hinzuzufügenden Teile der genaue Aufbau vermutet werden. Neue Teile werden in den meisten Fällen mit einem roten Rand gekennzeichnet, was die Orientierung vereinfacht. Dennoch besteht an einigen Stellen Verbesserungspotenzial, vor allem wenn es um die Reihenfolge des Zusammenbaus geht, doch dazu später mehr.
Das Aufbauprozedere der in sechs Noppen Breite gebauten Lokomotive lässt sich grob in zwei Teile aufgliedern: Das Fahrgestell und den oberen Teil bestehend aus der Fahrerkabine und Motorraum, mit dem auch begonnen wird. In den ersten Abschnitten wird bereits deutlich, dass BlueBrixx zumindest bei diesem Modell nicht viel davon hält, dem Baumeister das jeweilige Drehen des bisher Gebauten mitzuteilen. Dies hat zur Folge, dass Steine nicht selten zunächst an falschen Stellen angebracht werden und sich der Bauherr wundert, wieso das eigene Modell zu diesem Zeitpunkt nicht ganz mit den Bildern in der Anleitung übereinstimmt.
Von rechts nach links und umgekehrt
Interessant sind auch die verwendeten Bautechniken: Die Fahrerkabine wird wie gewohnt ganz normal von unten nach oben gebaut, während beim restlichen Teil eine Umkehr der Baurichtung in seitlicher Richtung, jeweils von der Mitte nach Außen, stattfindet. Dadurch schaffen die Entwickler eine mittige Verengung in der Breite von sechs auf fünf Noppen, bevor die jeweiligen Enden mit vier Noppen breite wieder normal von unten nach oben gebaut werden. Dadurch können auch die vertikalen Rundungen am Führerhaus entsprechend dem Original umgesetzt werden.
In der Anleitung wird zwar immer wieder zwischen dem vorderen und hinteren Teil gewechselt, beide Bereiche werden jedoch recht ähnlich gefertigt. Beim Zusammenbau der Scheiben, dem Dach sowie den vorderen und hinteren zwischen den Fenstern vorhandenen Säulen hätten die Entwickler jedoch eine andere Baureihenfolge wählen sollen. Wäre das Dach als letztes aufgesetzt worden, hätten die Säulenansätze einfacher an die aufrecht angebrachten und daher sich leicht verbiegenden Plates angebracht werden können.
Je nach Bautempo ist der obere Teil in 45 bis 60 Minuten fertiggestellt. Nach dem unproblematischem unteren Mitteilteil werden die beiden Fahrgestelle zusammengebaut. Hier hätte BlueBrixx direkt zu Anfang und nicht erst am Ende darauf hinweisen können, dass die folgenden Abschnitte zweimal gebaut werden müssen, da beide Gestelle völlig gleich gestaltet sind – so könnten beide parallel gebaut werden, was wiederum Zeit spart.
Verwirrung bei den Achsen
Im Bereich der Räder und der Radverkleidung hat BlueBrixx entweder bei späteren Modellen die verwendeten Teile gewechselt oder die Anleitung beinhaltet an dieser Stelle einen Fehler: In dieser hat es den Anschein, als kämen zur Verbindung der Räder sechser Achsen zur Verwendung, da diese an den Seiten ein wenig überstehen. Das vorliegende Set beinhaltet jedoch lediglich Achsen mit einer Breite von fünf Noppen, bei welchen die Räder aufgrund der geringeren Abmessungen nicht komplett aufliegen.
Das Ganze würde in den meisten Fällen kein Problem darstellen, entsprechende Achsen dürften sich oftmals in der eigenen Sammlung finden lassen. In solch einem Fall kommt aber die Seitenabdeckung des Gestells in die Quere, welche in der Anleitung im Bereich der Achsen offen ist, während die im vorliegenden Set mitgelieferten Teile an der Stelle geschlossen sind. Durch diese Umstände fährt die V 100 nicht so geschmeidig auf den Schienen, wie man es vielleicht von den dänischen Vertretern gewohnt ist. Zur besseren Traktion legt BlueBrixx dem Set acht Gummiringe bei, welche vor allem bei einer Motorisierung helfen sollen, die Motorkraft gut auf die Schienen zu bringen.
Darüber hinaus sitzen die jeweiligen Kupplungen lediglich auf zwei Noppen statt wie bei anderen Modellen auf jeweils vier Noppen auf, was für eine gewisse Instabilität sorgt und sich die Kupplungen besonders bei hohem Gewicht leicht lösen können.
Der Unterbau ist bereits nach nicht einmal 30 Minuten fertiggestellt, womit für das gesamte Modell rund 75 bis 90 Minuten für den Zusammenbau veranschlagt werden sollten.
Qualität der Steine
Die Qualität der Steine fällt unterschiedlich aus. BlueBrixx gibt in den eigenen Videos jedoch immer wieder an, dass man mit seinem Fertiger die Steine stetig verbessern würde. Wer die ersten unter Eigenregie veröffentlichten Sets kennt, weiß, dass sich die Qualität seit dem an vielen Stellen gesteigert hat und somit noch von weiteren Steigerungen ausgegangen werden kann.
Die Klemmkraft der vorliegenden Steine ist gut, gleiches gilt für die Haftung der einzelnen Elemente, welche sich aber auch ohne Mühe gut voneinander trennen lassen. Bei der farblichen Qualität muss jedoch noch eine Schippe draufgelegt werden. So weisen die silbernen glatten Bricks für das Dach sichtbare Schlieren auf, auf der anderen Seite werden gerade im zusammengebauten Zustand die verschiedene Rottöne deutlich. Beides zusammen geben zwar den Eindruck einer seit langer Zeit genutzten Lokomotive wieder, was in dieser Form jedoch nicht gewollt sein dürfte.
Des Weiteren sind auf der Innenseite der nicht transparenten Scheiben Teilenummern aufgedruckt, welche in der spiegelverkehrten Darstellung ebenfalls etwas negativ ins Auge fallen.
Motorisierung
Eine Anleitung zur Motorisierung der V 100 mittels Powered Up von LEGO oder vergleichbaren Motor-Systemen gibt BlueBrixx nicht, es finden sich im Netz jedoch einige Umbauten, um die Lok eigenständig auf Schienen fahren zu lassen. Diese fallen jedoch recht aufwendig auf, einen eventuellen Umbau hätten die Entwickler vielleicht im Entstehungsprozess mehr berücksichtigen können.
Fazit
Als Nicht-Eisenbahnexperte fällt es dem Verfasser dieses Tests natürlich schwer, die Originaltreue des Modells richtig einzuschätzen. Zudem sollte bedacht werden, dass alleine durch das Noppenraster der Umsetzung deutliche Grenzen gesetzt werden, welche es im normalen Modellbau so nicht gibt. Alles in allem darf das Modell in seiner Gestaltung als gelungen bezeichnet werden, welches sich zudem auf den heimischen Schienen gut machen dürfte.
BlueBrixx V 100 (100999) im Review – Slideshow
Der Aufbau der V 100 geht leicht von der Hand, die verwendeten Bautechniken mit diversen Umkehrungen der Baurichtung sind interessant. Die Anleitung ist ebenfalls in den meisten Fällen leicht nachzuvollziehen, wenn Abschnitte aber wiederholt werden müssen, sollte dies in der Anleitung direkt zu Anfang verdeutlicht werden – auch um durch ein paralleles Bauen Zeit sparen zu können.
An der Steinequalität muss Bluebrixx jedoch noch feilen. So beinhaltet der obere Aufbau unterschiedliche Rottöne, die für das Dach verwendeten glatten grauen Bauteile deutlich sichtbare Schlieren. Unstimmigkeiten herrschen auch bei den Fahrgestellen, bei welchen vorhandene Achsenlänge sowie Beschaffenheit der seitlichen Abdeckungen nicht den in der Anleitungen angegebenen Ausführungen entsprechen. Auch hätte eine spätere Motorisierung bei der Gestaltung des Modells besser berücksichtigt werden sollen. Die Klemmkraft hingegen befindet sich auf einem sehr guten Niveau.
Dem Ganzen gegenüber steht der mit rund 25 Euro sehr attraktive Preis, welcher über die eine oder andere Schwachstelle hinwegsehen lässt. Somit kann am Ende das Modell der V 100 mit ruhigem Gewissen empfohlen werden, vor allem weil es eine Abwechslung zu den doch sehr kindgerecht gestalteten Ausführungen des dänischen Marktführers darstellt.
BlueBrixx V 100 (100999) im Review
- günstiger Preis
- interessante Bautechniken
- verständliche Anleitung
- schöne Umsetzung
- verschiedene Töne bei roten Steinen
- Schlieren auf den grauen Dachteilen