Bei LEGO erfreut sich die Architecture-Serie nach wie vor großer Beliebtheit. Auch wenn die Sets, gerade was Verpackung und Beschreibung angeht, auf einem sichtbar anderen Niveau agieren als die normalen Sets des dänischen Herstellers von Klemmbausteinen, stoßen manchem Fans die geforderten Preise für das Gebotene doch etwas sauer auf. Dabei ist LEGO nicht der einzige Hersteller, welcher diese Art von Modellen anbietet – hier lohnt sich wie so oft auch mal der berühmte Blick zur Seite.
So bietet der chinesische Hersteller WANGE ebenfalls eine Serie mit architektonisch bekannten Gebäuden an. Doch kann der Hersteller es in Sachen Detailqualität mit dem Marktführer aufnehmen?
Die Box
Zwei deutliche Unterschiede fallen direkt beim ersten Blick auf die Verpackung auf: Das vorliegende Modell der Elisabeth-Kirche (der Big Ben ist genau genommen lediglich die Glocke im Turm des Gebäudes) bietet mit 890 Teilen fast drei Mal so viel Inhalt wie das Pendant des dänischen Marktführers – bei einem deutlich geringeren Preis von knapp unter 30 Euro. Dass die höhere Teile-Anzahl auch die Größe des Modells beeinflusst, wird ebenfalls direkt auf der Verpackung deutlich: Während bei LEGO der Turm eine Breite von drei Studs aufweist, sind es beim Modell von WANGE derer fünf. Auch die Grundfläche von 11×14 Studs zu 7×7 des LEGO-Modells lässt den Zuwachs erahnen.
Von diesen Punkten einmal abgesehen, wird das Big-Ben-Modell von WANGE in einem ansehnlichen weißen Karton geliefert, welches zunächst nicht auf den durchaus günstigen Preis schließen lässt.
Zuerst die Arbeit, dann das Vergnügen
Wird die Packung geöffnet, findet sich dort der in diversen Plastiktüten verpackte Inhalt samt 22-seitige Bauanleitung in zwei Pappkästen wieder. Auf der Rückseite der Anleitung sind daneben noch einige zusätzliche Informationen über das Gebäude abgedruckt.
Als erste offizielle Handlung ist bei dem Modell jedoch zunächst sortieren angesagt, denn im Gegensatz zum gewohnten LEGO-Prozedere sind die Tüten nicht in einzelne Bauabschnitte unterteilt. Dies dürfte rund eine halbe Stunde in Anspruch nehmen, dann kann der Bauspaß beginnen.
Der Bauprozess
Die Bauanleitung ist generell leicht verständlich, im Gegensatz zu LEGO werden aber innerhalb eines Bauabschnittes teilweise deutlich mehr Teile verbaut, so direkt zu Anfang im zweiten Abschnitt derer 44. Dies wird im weiteren Bauverlauf keine Ausnahme bleiben.
WANGE hat die Anleitung nach dem bereits von anderen Herstellern bekannten System erstellt, lediglich die neu hinzukommenden Bauteile farbig darzustellen, die bereits vorher gefertigten Bereiche werden lediglich weiß angezeigt. In den ersten Abschnitten gestaltet sich das Auseinanderhalten der einzelnen Elemente noch einfach, doch je weiter der Bau fortgeschritten ist, fällt das eine oder andere Mal eine Orientierung nicht immer leicht.
Auf eine korrekte Ausrichtung sollte zudem bei den vielen seitlich angebrachten 1×2-Fliesen, welche lediglich an einer Noppe angebracht sind, geachtet werden. Diese finden sich vor allem im unteren Bereich des Modells wieder, welcher rund eine Stunde Bauzeit in Anspruch nimmt.
Bis hier hin war der Bauvorgang noch von Abwechslung geprägt, spätestens beim Bau des Turms wiederholen sich Bauabschnitte mehrfach, was schon fast meditativ anmutet. Abwechslung kommt erst wieder beim Bau des Uhrensegments sowie des Dachs auf.
Nach rund vier Stunden (inklusive Sortiervorgang) ist das Modell dann schließlich fertiggestellt, auf große Schwierigkeiten sollten erfahrene Baumeister dabei nicht gestoßen sein.
Qualität des Modells
Die Qualität des Modells ist am Preis gemessen sehr gut, kommt aber noch nicht zu 100 Prozent an die Qualität von LEGO heran. Dafür müsste WANGE bei künftigen Modellen noch etwas an den Spaltmaßen und den Bautechniken arbeiten, welche einzelne Gebäude-Abschnitte (wie im hiesigen Fall im Kirchenschiff) nicht genügend miteinander verbinden. Hier hätte ein Ring aus langen Plates Wunder gewirkt. Das sind jedoch Dinge, die nur beim genauen Hinschauen oder im direkten Vergleich auffallen. In eine Vitrine gestellt macht das fertige Modell dennoch eine sehr gute Figur.
Qualität der Steine
Bei den Steinen gibt es kaum einen spürbaren Unterschied zu den Steinen von LEGO, die Varianten von WANGE liefern eine gute Klemmkraft und Stabilität. Auch die Genauigkeit was die Spaltmaße angeht, befindet sich auf einem guten Niveau, wenn auch nicht immer gleichbleibend. Bei der farblichen Gestaltung schafft es WANGE zudem, sich sehr gut an die LEGO-eigenen Farben anzunähern. Lediglich im direkten Vergleich wirkt zumindest das Sandfarben etwas heller.
Beim Zusammenbau sollte zudem immer auf die Ausrichtung der Steine geachtet werden, denn auch WANGE hat mit dem Problem zu kämpfen, dass die Einfülllöcher der Spritzgussformen nicht immer an optimalen Stellen sitzen. Doch mit ein wenig Augenmerk können die meisten dieser Klippen leicht umschifft und die Steine so gesetzt werden, dass diese Unschönheiten gut kaschiert werden können.
Erwähnenswert ist auch, dass das Set keine Aufkleber beinhaltet, sowohl das Schild mit dem Namen des Gebäudes sowie die Uhren sind alles Prints, welche zudem noch eine sehr gute Druckqualität aufweisen. Darüber hinaus führt das Set noch ein paar WANGE-eigene Teile, wie unter anderem das Drehgelenk für das Modellschild sowie die Grundplatten.
Fazit
WANGE zeigt mit erstaunlicher Deutlichkeit, dass sich ein gut umgesetztes Modell nicht unbedingt in einem hohen Preis widerspiegeln muss. Die Qualität der mitgelieferten Steine ist sehr gut, die Bauanleitung verständlich, was letztendlich einen Bauspaß von drei bis vier Stunden garantiert. Lediglich über das angegebene Mindestalter sollte der Hersteller noch einmal nachdenken – ab sechs Jahren ist dann doch noch etwas zu jung. In dem Alter dürften Kinder noch nicht die Geduld für all die kleinen Teile aufbringen.
Die Spaltmaße sind nicht immer zu 100 Prozent genau.
Das fertige Modell weiß äußerlich ebenso zu überzeugen und dürfte in einer Vitrine ausgestellt eine sehr gute Figur machen.
Das Big-Ben-Modell zeigt zudem, dass, sollten sich Anbieter wie WANGE endgültig auf den europäischen Markt etablieren, es für LEGO schwer werden wird, die bisherigen Preise weiterhin verlangen zu können – wenn andere Hersteller für weniger Geld eine deutlich höhere Detailtreue bieten.