Die Miniatur-Version der Boeing 777X von Cobi stellt in weiten Teilen ein schönes und anspruchsvolles Modell mit interessanten Bautechniken, aber auch kleinem Verbesserungspotenzial dar. Die Aufkleber können jedoch auch erfahrene Modellbauer an den Rand der Geduld bringen.
Das Flugzeug
Die Boeing 777 stellt seit ihrem Erstflug 1994 das größte zweistrahlige Verkehrsflugzeug der Welt dar und kann, je nach Variante, zwischen 300 und 550 Passagiere befördern. Anfang 2012 äußerte das US-amerikanische Unternehmen die Absicht, die Reichweite der bisherigen Flugzeuge verlängern zu wollen, um auch Ultralangstrecken direkt und ohne die bisher notwendigen Zwischenlandungen bedienen zu können. Um dieses umzusetzen wurde zunächst die Spannweite der Maschine erhöht, gleichzeitig aber der Treibstoffverbrauch der Triebwerke um etwa 15 Prozent gesenkt.
Die beiden Version 777-8 und 777-9 sollen dabei über 350 bis 375 beziehungsweise über 400 bis 425 Sitzplätze verfügen. Dadurch fällt auch die Länge des Rumpfes unterschiedlich aus: 69,79 Meter bei der 777-8, 76,72 Meter bei der 777-9. Beide Versionen besitzen an den Flügelenden hochklappbare Spitzen der vierten Generation, um am Boden Platz sparen zu können. So variiert die Spannweite zwischen 64,8 und 71,8 Meter. Die Reichweite beläuft sich bei der kürzeren Version auf rund 16.000 Kilometer, bei der längeren Variante auf knapp 14.000 Kilometer. Der bereits für den Frühsommer 2019 vorgesehene Erstflug der 777-9 erfolgte am 25. Januar 2020 und wurde erfolgreich durchgeführt.
Das Modell
Das Modell der Boeing 777X von Cobi ist seit Ende 2019 erhältlich und stellt die Version 777-8 dar. Dieses beinhaltet 625 Teile sowie zwei Figuren, welche unsortiert in insgesamt 19 Tüten verpackt sind, welche wiederum in die drei Bauabschnitte unterteilt sind. Bei den Händlern ist das Set für rund 45 Euro zu erstehen. Der Preis mag im Vergleich zu anderen Sets des polnischen Herstellers zunächst hoch erscheinen, es muss aber berücksichtigt werden, dass es sich hierbei um ein Lizenzmodell handelt.
Die Anleitung
Cobi verfolgt auch beim Modell der Boeing 777X in der Anleitung das Prinzip der Reduktion, womit bereits verbautes abgeschwächt und nur neu hinzugefügte Teile farbig dargestellt werden. Das kann an manchen Stellen jedoch zu leichten Verwirrungen führen, besonders wenn die Steine in verschiedenen Ebenen angebracht werden müssen – wie zum Beispiel später bei den Tragflächen. Hier kann sich schnell um die eine oder andere Noppe vertan werden, was jedoch erst später auffallen wird.
In der Anleitung befinden sich auch die beim Modell verwendeten Aufkleber, welche dadurch vor Verknitterungen gut geschützt sind.
Der Aufbau
Der Aufbau gestaltet sich unterschiedlich. Generell ist der Anspruch nicht zu hoch angesetzt, an einigen Stellen sollte jedoch genau hingeschaut werden. Der Bauvorgang wird seitens Cobi in drei große Abschnitte unterteilt. Für jeden sollten die Steine vorher sortiert werden, was insgesamt rund 15 Minuten in Anspruch nimmt.
Der erste Abschnitt widmet sich der Fertigung des Cockpits sowie der Unterseite des Rumpfes und ist in rund 45 Minuten absolviert. Hier wechseln sich das Verbinden großer Teile sowie kniffelige Passagen gut ab, sodass keine Langeweile aufkommt. An vielen Stellen setzt Cobi auch seine Paradedisziplin ein, die Umkehr der Baurichtung. Dadurch gestaltet sich die Fertigung der 777X deutlich einfacher und damit originalgetreuer. Weniger schön ist der nicht ganz glatte Übergang zwischen den fertigen Cockpit-Teilen und dem restlichen Rumpf, welcher trotz kräftigem Zusammendrücken eine Kante aufweist.
Farbkleckser an Cockpit-Abdeckung
Wie bereits von anderen Flugzeugen von Cobi bekannt, ist die Cockpit-Front aus zwei Formteilen gefertigt. Die dazugehörige Scheibe ist klar-transparent und weist keine Kratzer auf. Bei der oberen Cockpit-Abdeckung ist jedoch ein zwei bis drei Zentimeter langer blauer Strich zu erkennen, welcher auf dem weißen Hintergrund direkt auffällt.
Im zweiten Abschnitt geht es an das Heckleitwerk, bei welchem eine hohe Aufmerksamkeit angebracht ist. Hier zeigt sich erneut, was die Entwickler bei Cobi alles umzusetzen vermögen. Durch mehrfaches ändern der Baurichtung entsteht ein dem Original sehr entsprechendes Heck, bei welchem lediglich die Flügel und die Verkleidung aus Formteilen bestehen. Die Flügel werden dabei aus der Ober- und Unterseite zusammengesteckt, wobei hier die Anzahl der Verbundstellen und deren Klemmkraft höher hätte ausfallen müssen – die Flügel weisen oftmals trotz hohem Druck sichtbare Spalten auf.
Ist das Heck fertig, wird dieses in den Rumpf ein- und anschließend die obere Abdeckung aufgesetzt, welche teilweise aufklappbar ist.
Konzentration bei den Tragflächen
Anschließend geht es an das Erstellen der Flügelbasis, welche am Ende aus drei Ebenen gefertigt sein wird. Hier ist hohe Konzentration gefordert, schnell kann sich bei den weißen Teilen um die eine oder andere Noppe verzählt werden, was jedoch meist erst einige Bauschritte später auffällt. Dann muss in der Anleitung der Punkt des Fehlbaus erkannt werden, was dem Baumeister durch die reduzierte Darstellung oft nicht leicht fallen wird.
Der Zusammenbau der Flügel setzt sich auch im dritten Abschnitt fort, bei welchem bereits nach einigen Schritten die Fliesen als Abdeckungen auf- und die seitlichen hochklappbaren Endstücke angebracht werden. Wurde sich bis hier hin nicht in großem Maße verbaut, sollten die Abschnitte bis hierhin rund 90 Minuten in Anspruch genommen haben – ansonsten dauert es ein gutes Stück länger. Anschließend müssen noch die Nachbildungen der GE9X-Triebwerke gefertigt und angebracht werden – fertig sind beide Tragflächen.
Beim Zusammenfügen mit dem Rumpf wird wieder die Liebe der Cobi-Entwickler zum Detail deutlich: Durch die leicht versetzte Nutzung zweier Gelenke erreichen die Flügel die gleiche angewinkelte Ausrichtung wie beim Original, was das Flugzeug „wuchtiger“ erscheinen lässt.
Als letzte Bauaktion wird schließlich noch das einklappbare Fahrwerk gefertigt, bei dem Cobi bei den Stoßfängern auf Fertigteile zurückgreift, was für die Stabilität von Vorteil ist.
Aufkleber als Geduldsprobe
Nach rund drei Stunden steht vor dem Baumeister ein fertiges Boeing-777X-Modell, welches nur noch beklebt werden muss. Und hier beginnt der unangenehme Teil des Bauvorganges, denn auch wenn das Set vier Prints bereithält müssen Fenster und Eingangstüren sowie die Verzierung des Heckleitwerkes geklebt werden. Cobi macht es dem Klemmbausteinfreund jedoch nicht unbedingt einfach, denn die Aufkleber sind weder nummeriert noch gibt es eine Kennzeichnung, wo welcher Streifen angebracht werden muss. Auf der letzten Seite der Bauanleitungen wird zwar gezeigt, wo Aufkleber generell angebracht werden sollen, aber gerade bei den Fenstern und Türen mit ihren unterschiedlichen Längen wird ein richtiges Anbringen schwierig – auch weil auf den Bildern manche Bereiche nicht richtig zu erkennen sind.
Hinzu kommt, dass die Klebebilder sehr schnell Fingerabdrücke annehmen, welche somit auch auf dem Modell zu sehen sind. Ebenso schwierig wird es das Exemplar auf dem Seitenruder anzubringen, da dieses nur minimal kleiner als die zu beklebende Fläche ist und daher kaum einen Spielraum zulässt – am Ende steht der Aufkleber immer ein wenig über. Hier wird Cobi seiner gewohnten Qualität nicht gerecht.
Qualität der Steine
Die Steinequalität fällt wie von Cobi gewohnt gut aus. Die Farbgleichheit ist wie immer sehr genau, auch wenn die Steine nach wie vor farblich nicht mit denen von Lego übereinstimmen. Auch in Sachen Klemmkraft macht das Modell eine gute Figur. Lediglich die deutlich sichtbaren Spaltmaße am Rumpf, hervorgerufen durch die eine Noppe breiten Plates, fallen negativ auf und schmälern das Aussehen ein wenig.
Ein wenig mehr Sorgfalt hätte Cobi auch bei den fertigen Flügelteilen walten lassen können, die Verbundstellen greifen nicht sonderlich stark ineinander, sodass zwischen Ober- und Unterseite sichtbare Spalten auftreten.
Fazit
Die 777X von Cobi hinterlässt unterschiedliche Eindrücke. Generell beinhaltet das Modell interessante Bautechniken und viel Bauspaß. Der unschöne Streifen am Cockpit darf dabei nicht zu stark bewertet werden, ein kurzer Anruf beim Cobi-Service dürfte für ein bereinigtes Bauteil sorgen. Beim Heckleitwerk sowie der Umsetzung der angewinkelten Tragflächen stellen die Entwickler wieder ihr Können unter Beweis, welches das Baumeisterherz höher schlagen lässt. Überzeugend ist auch die Stabilität des fertigen Modells.
Die farbliche Qualität der Steine sowie deren Klemmkraft überzeugt, lediglich die Spaltmaße der vorgefertigten Flügel- und Cockpit-Teile könnten besser ausfallen.
Nerven strapazierend ist dagegen das Anbringen der Aufkleber, bei denen Cobi nicht einmal genaue Positionsangaben für die einzelnen Streifen macht. Zudem sind diese anfällig für Fingerabdrücke. Am Ende dürfte das Ergebnis nur bei den wenigsten Modellbauern mit der Darstellung auf der Verpackung oder in der Anleitung übereinstimmen, was ebenfalls Frust aufkommen lässt.
Wer also nicht das nötige Fingerspitzengefühl oder die nötige Geduld (oder auch beides) für das Aufbringen der Aufkleber besitzt, sollte überlegen, ob die 777X nicht auch ohne die Verzierungen schön anzusehen wäre.
Anmerkung zum Test
Die Boeing 777X (26602) wurde Just Bricks freundlicherweise von Cobi für den Review kostenlos zur Verfügung gestellt. Eine Einflussnahme auf den Artikel fand nicht statt, eine Verpflichtung zur Veröffentlichung bestand ebenfalls nicht.
Cobi 26602 - Boeing 777X im Review
- schönes Modell
- tolle Bautechniken
- tolle Tragflächenkonstruktion
- hohe Stabilität
- Aufkleber
- Aufkleber
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