Legos Abmahnungen schlagen größere Kreise als zunächst gedacht: Nachdem schon im Dezember Thorsten Klahold mit dem von ihm als „Liebegrüße aus Billund“ bezeichneten Schreiben an die Öffentlichkeit gegangen ist, hat nun auch der Online-Händler „Bausteinecke“ bekannt gegeben, ein Schreiben mit ähnlichem Inhalt erhalten zu haben.
Dies hat der Online-Shop über seine Instagram-Präsenz bekannt gegeben. Gegenüber Just Bricks gab Geschäftsführer Matthias Witteyer an, die Abmahnung ebenfalls im Dezember, wenn auch ein paar Tage später als Thorsten Klahold, erhalten zu haben. Der Inhalt des Schreibens gleicht dem, das der Geschäftsführer von „Steingemachtes“ übersendet bekommen hatte, weist aber dem Anschein nach in Bezug auf Massenabmahnung genügend Unterschiede auf. Auch in diesem Fall wurde das Schreiben zuvor per E-Mail zugesendet.
Aufgrund des unterschiedlichen Portfolios werden in dem Schreiben seitens der Rechtsvertreter des dänischen Marktführers nicht nur, wie bei Klahold, die Figuren von Qman, Linoos und Cogo, sondern auch Sets mit Minifiguren von Ausini und Xingbao angeführt. Gleichzeitig soll ebenfalls das 3D-Markenschutzrecht die Grundlage für die ausgesprochene Abmahnung bilden, welches die Gegenseite verletzt sehen will.
Wie auch Klahold vor ihm, zeigt sich Witteyer kämpferisch und wird die Abmahnung zusammen mit der Medienrechtskanzlei Wilde Beuger Solmeke anfechten, um ein, seiner Aussage nach, „gutes Ergebnis für die alternativen Figuren“ zu erzielen. Dennoch scheint die zuständige Kanzlei gelernt zu haben, laut Angaben von Witteyer waren in den bei ihm aufgeführten Belegbildern die Qman-Figur richtig zusammengesteckt.
Fragliches Vorgehen
Das jetzige Verhalten von Lego wirft immer mehr Fragen auf, vor allem unter dem Gesichtspunkt, dass bereits einige rechtliche Auseinandersetzungen rund um das Thema Minifiguren aktuell noch offen sind. So wurde BlueBrixx bereits im vergangenen Jahr von Lego mit einer einstweiligen Verfügung belegt, was zur Beschlagnahmung verschiedener beanstandeter Sets mit gleichzeitigem Verkaufsverbot geführt hat. Das eigentliche Verfahren läuft bereits seit geraumer Zeit, eine erste Entscheidung soll in diesem Frühjahr fallen. Darüber hinaus haben verschiedene andere Hersteller den Antrag auf Löschung des Schutzes für Legos Minifiguren gestellt – auch hier gibt es noch keine Entscheidungen.
Das jetzige Vorgehen des dänischen Marktführers kann im negativen Fall jedoch sehr zuungunsten derer ausgelegt werden: So gibt es nicht wenige kritische Stimmen, nach denen Lego noch vor einer Rechtsprechung Fakten schaffen und Händler, durch die Unterzeichnung einer Unterlassungserklärung, dazu bringen will, entsprechende Klemmbaustein-Sets nicht mehr anzubieten. Diese Erklärungen wären nämlich selbst dann noch verpflichtend, wenn Gerichte später ein Urteil gegen Lego fällen und auch die Figuren anderer Hersteller als legal ansehen würden – es sei denn ein entsprechender Passus wäre in die Erklärung mit aufgenommen worden. Das Unternehmen darf sich daher nicht wundern, wenn der Eindruck erweckt wird, dass dieses keine große Hoffnung in ein Urteil zu seinen Gunsten setzt und daher nun recht überstürzt handelt.
Ein ähnlich fader Beigeschmack ist bei der Sicherung der 1 × 5 Noppen langen Plate aufgetreten, welche vor ein paar Tagen öffentlich wurde. Da es sich hierbei um einen ungeprüftes Recht handelt, kann bei Geschmacksmustern, zumindest in Europa, erst einmal alles für einen Schutz eingereicht werden. Erst bei einem, innerhalb einer bestimmten Frist eingereichten, Widerspruch wird dieser vom Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) auf seine Erfüllung der notwendigen Schutzvoraussetzungen hin geprüft.
Wird eine mutmaßlich ungerechtfertigte Eintragung nach dieser Frist bekannt, kann nur der Rechtsweg eingeschlagen werden – hierbei können Jahre ins Land ziehen, bis es zu einem endgültigen Urteil kommt. In dieser Zeit könnte Lego Händler, welche Sets mit 1 x 5-Plates verkaufen, ebenfalls Abmahnen und dadurch versuchen, die Modelle vom europäischen Markt auszuschließen. Ob das dänische Unternehmen genau dieses Szenario verfolgt ist natürlich Spekulation, aufgrund der Vorkommnisse der letzten Woche darf es sich aber nicht wundern, dass gerade Freunden der alternativen Klemmbausteine dieser Gedanke vermehrt in den Sinn kommt.
In den USA, wo, neben Kanada, ebenfalls diese Art von Schutzrecht vorhanden ist, stellt dieses dagegen einen geprüften Schutz dar, bei dem bereits im Vorfeld das Ansinnen auf Kriterien wie Schutzwürdigkeit, Neuheit und andere Dinge hin überprüft wird.
Dünnes Eis für Lego
Die Auseinandersetzungen bergen jedoch auch für Lego ein nicht gerade geringes Risiko. Es wäre nicht das erste Unternehmen, welches, in Folge eines Rechtsstreits, den angeführten Schutz letztendlich aberkannt bekommen würde. Zudem werden Parallelen zu dem Rechtsstreit zwischen Apple und Samsung deutlich, welche vor rund zehn Jahren rund um den ganzen Globus geführt wurden und infolge dessen Apple, vor allem in Europa, einige Patente und Geschmacksmuster aberkannt wurden.
Es kann also gut sein, dass Lego, bei den anstehenden Rechtsstreitigkeiten, der Schutz für seine Minifiguren komplett aberkannt wird, was am Ende völlig entgegengesetzt dem wäre, was das Unternehmen mit seinem Vorgehen bezwecken wollte. Aber selbst wenn Lego den Schutz behalten würde, könnten die Gerichte die Grenzen, bis zu denen das jeweilige Schutzrecht gilt, enger abstecken – bisher gibt es ein entsprechendes Urteil noch nicht.
Lego hat also mit seinem Vorgehen viel zu gewinnen, aber noch mehr zu verlieren: Wird dem bisherigen Schutz im Ganzen entsprochen, wovon selbst Rechtsexperten nicht ausgehen, dürfte das als Freifahrtschein für das Unternehmen gewertet werden, gegen jede Minifigur vorzugehen, egal wie wenig diese den eigenen Figuren äußerlich gleicht. Wird der Schutz jedoch eingegrenzt, hätten Hersteller Vorgaben, an die sich halten und auf die sie sich in einem weiteren Vorgehen seitens Lego berufen können.
Ein Aberkennen des Schutzes käme für Lego dagegen einem Desaster gleich, denn dann müssten sich die alternativen Varianten nicht mehr zwangsläufig von den dänischen Minifiguren unterscheiden. Egal welches der beiden Szenarien am Ende eintreten würde, die Drohkulisse, die Lego bisher aufbauen kann, würde damit ihr Ende finden. Es muss zudem bedacht werden, dass es nicht nur primär um die Minifiguren, sondern auch um die jeweiligen Sets geht, welche ohne die kleinen Männchen von Lego nur schwer beanstandet werden könnten.
Ein weiterer interessanter Ausgangspunkt wäre es, wenn in der sich anbahnenden Auseinandersetzung ein Gericht die Beine der Minifiguren mit ihren Noppenaufnahmen als technische Lösung deklarieren würde. Hier bestünde die Frage, ob damit der ganze Schutz ebenfalls nichtig wäre, oder ob das Gericht die Figur in ihren einzelnen Komponenten betrachten würde.
Ordnungsgeld gegen BlueBrixx laut Lego zu gering
Auch im Disput zwischen Lego und BlueBrixx gibt es neue Informationen. Nachdem BlueBrixx, aufgrund der von Lego erwirkten einstweiligen Verfügung, bestimmte Minifiguren nicht mehr verkaufen darf, gelangten laut Geschäftsführer Klaus Kiunke, trotz genauer Prüfung, eine kleine Anzahl von beanstandeten Wange-Sets in den Verkauf. Drei dieser Modelle, welche zu jeweils 12,95 Euro verkauft worden sein sollen, haben die Rechtsvertreter des dänischen Unternehmens bei Testkäufen erstanden.
Infolge dessen wurde BlueBrixx vom Landgericht Frankfurt am Main mit einem Ordnungsgeld von 3.000 Euro belegt, wogegen Lego jedoch Beschwerde eingelegt hat. Während das Gericht, laut Aussage von Kiunke, in seinem Antrag vom 15. Dezember 2020 als Begründung angab, dass, angesichts einmaligen Verstoßes, die Verhängung eines Ordnungsgeldes von 3.000 Euro der Schuld und Tat angemessen ist, verlangen die Lego-Vertreter mit ihrer Beschwerde, BlueBrixx aufgrund des Verstoßes „ein empfindliches Ordnungsgeld aufzuerlegen“. Während das Gericht also die auferlegte Strafzahlung, bei einem laut Kiunke „Warenwert von ein paar hundert Euro“, als gerechtfertigt ansieht, ist die Summe für Lego zu niedrig gewählt.