Das Gericht der Europäischen Union hat heute einen seit Jahren andauernden Rechtsstreit zwischen Lego und dem Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) zugunsten des dänischen Unternehmens entschieden – vorerst. In ihrer Begründung führten die Richter in erster Linie Rechtssfehler auf.
Über 10 Jahres altes Geschmacksmuster auf dem Prüfstand
In der Auseinandersetzung ging es um eine 3 × 4 Noppen große Fliese mit einer mittigen Reihe von 4 Noppen, welche Lego am 2. November 2010 als Geschmacksmuster hat eintragen lassen. Diese wurde zu Anfang hauptsächlich als Standfläche für Minifiguren verwendet, findet sich mittlerweile aber auch immer mehr in Modellen des dänischen Marktführers wieder. Dagegen hat die Delta Sport Handelskontor GmbH, welche unter anderem die oftmals beim Discounter Lidl angebotenen Klemmbaustein-Sets vertreibt, einen Nichtigkeitsantrag gestellt. Dieses Vorgehen ist normal, da bei Geschmacksmustern im Zuge der Eintragung nicht überprüft wird, ob das jeweilige Design wirklich schützenswert ist. Der Antragsteller führte an, dass es sich bei dem Stein vor allem um eine technische Lösung handelt, welche gemäß der Verordnung (EG) Nr. 6/2002 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster, Artikel 8, Absatz 1, nicht im Sinne eines Geschmacksmusters schützenswert sei.
Ein hin und her
In einer Prüfung kam das EUIPO am 10. April 2019 zur gleichen Auffassung, „dass alle Erscheinungsmerkmale des von dem angefochtenen Geschmacksmuster erfassten Erzeugnisses ausschließlich durch dessen technische Funktion, nämlich den Zusammenbau mit anderen Bausteinen des Spiels und die Zerlegung zu ermöglichen, bedingt seien“, worauf dieses Lego den Schutz entzog. Dagegen legte das dänische Unternehmen Rechtsmittel ein und verklagte das EUIPO als entscheidendes Amt vor dem EU-Gericht. In erster Instanz konnte sich Lego mit seiner Auffassung durchsetzen, in der zweiten urteilten die Richter dagegen zugunsten dem EUIPO.
Rechtsfehler als Hauptgrund
In seiner Begründung zum heute erlassenen Urteil wirft das EU-G dem EUIPO Rechtsfehler vor. So habe die Beschwerdekammer nicht ausreichend geprüft, ob im vorliegenden Fall eine mögliche Ausnahmeregelung, vermutlich Absatz 3 des oben referenzierten Artikel 8, angewendet werden kann. Diese besagt, das mechanische Verbindungselemente von Kombinationsteilen ein wichtiges Element der innovativen Merkmale für diese bilden sowie einen wesentlichen Faktor für das Marketing darstellen und somit schutzfähig sein sollten. Daher sah es das Gericht als erste Aufgabe an, zunächst zu klären, „ob die Beschwerdekammer des EUIPO die Anwendungsvoraussetzungen dieser Ausnahmeregelung prüfen und damit beurteilen musste, ob diese erstmals vor ihr geltend gemacht werden konnte“. Darüber hinaus wurde angemerkt, dass nicht alle Erscheinungsmerkmale in besagte Überprüfung mit einbezogen wurden. Ein Geschmacksmuster kann jedoch laut Begründung nur dann für nichtig erklärt werden, wenn „alle Merkmale seiner Erscheinung ausschließlich durch die technische Funktion des Erzeugnisses, auf das es sich bezieht, bedingt sind“. Hierbei führt das Gericht in seiner Begründung die beiden glatten Oberflächen neben der mittig gelegenen Noppenreihe an.
Urteil nicht pro Lego
Somit bedeutet das heutige Urteil keine Bestätigung des durch Lego eingereichten Schutzes, sondern lediglich eine Neuüberprüfung des Nichtigkeitsantrages durch die EUIPO. Diese kann unter den vom Gericht angeführten Punkten nach einer erneuten Sichtung zu einer gleichen Entscheidung kommen, womit der angeführte Stein weiter die Gerichte beschäftigen dürfte. Darüber hinaus ist wichtig anzumerken, dass ein Geschmacksmusterschutz lediglich die Verwendung einer 1:1-Kopie des jeweiligen Produkts untersagt, in abgewandelter Form darf es jedoch genutzt werden, sofern die abgewandelte Form vom informierten Benutzer unterschieden werden kann. So gehen bereits eine Reihe von alternativen Hersteller vor, wie unter anderem bei der 2 × 2 Jumper Plate.
2 Kommentare
Jobb
Ich habe mir darüber auch schon Gedanken gemacht.
.Vor allem im Vergleich mit der 2×2-Jumperplate, die von den Wettbewerbern inzwischen in den verschiedensten Abwandlungen vorliegt.
Meine Meinung, bzw. Argumentation wie man dagegen argumentieren kann:
Entweder muss man über die mangelnde Eigenart oder Neuheit gehen, was sehr schwierig werden dürfte (außer die 1×5-Plate bspw.) oder man muss Artikel 8 Absatz 3 einbeziehen und entkräften:
(3) Ungeachtet des Absatzes 2 besteht ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster unter den in den Artikeln 5 und 6 festgelegten Voraussetzungen an einem Geschmacksmuster, das dem Zweck dient, den Zusammenbau oder die Verbindung einer Vielzahl von untereinander austauschbaren Erzeugnissen innerhalb eines modularen Systems zu ermöglichen.
Kurz gesagt, scheint mir der Absatz folgendes zu sagen: “Schafft das neue Teil innerhalb des System neue Verbindungsmöglichkeiten? Dann ist es schutzwürdig.”
Jobb
Und noch ein paar weiterführende Gedanken anlässlich des Urteils. “Das Gericht führt sodann aus, dass ein Geschmacksmuster für nichtig zu erklären ist, wenn alle
Merkmale seiner Erscheinung ausschließlich durch die technische Funktion des Erzeugnisses, auf
das es sich bezieht, bedingt sind, dass aber das fragliche Geschmacksmuster nicht für nichtig
erklärt werden kann, wenn zumindest eines der Erscheinungsmerkmale des von einem
angefochtenen Geschmacksmuster erfassten Erzeugnisses nicht ausschließlich durch die
technische Funktion des Erzeugnisses bedingt ist.” Wie Du es zitiert hast. Ich würde also mit einer SNOT-Bauweise argumentieren: Die glatte Oberfläche ist notwendig, da sonst diese Bauform nicht funktionieren würde.
Im Gegensatz zu Legos spezielleren Form der Plate, die die Form einer Wolke hat: Hier liegt mMn eine eigene Designleistung vor, ähnlich wie bei meinen oben erwähnten 2×2-Jumperplates: während meines Erachtens Lego bei der Jumperplate nur die technische Funktion geschützt hat, haben die alternativen Hersteller, um den noch gültigen Designschutz zu berücksichtigen, selbst designerische Eigenleistungen erbracht, etwa die abgerundete Version von Qman.
Abschließend halte ich den Artikel 8 Abs 3 und die Ausführung vom EuG aber irgendwie für widersprüchlich. Da 8.3 nahelegt, das jede neuartige Verbindungsart schutzwürdig sei, aber das EuG offenkundig sagt, dass zu 100% technische Lösungen nicht schützenswert sind.