Mit der Construction Challenge offeriert der italienische Hersteller Clementoni unter dem Label der Pro7-Sendung Galileo eine eigene Technik-Serie, welche Kinder durch den Modellbau technische Funktionen näher bringen will. Doch für den angeschlagenen Preis erlaubt sich das System am Ende qualitativ zu viele Patzer und bietet an Originalität zu wenig.
Der hier vorgestellte Monster Truck aus der Construction Challenge verfügt über rund 200 Bauteile und ist im stationären Handel für rund 20 Euro zu erstehen. Die rund 40 x 28 x 6 Zentimeter große Verpackung lässt vermuten, dass sich vor allem viele große Teile in der Verpackung befinden. Die Enttäuschung folgt direkt nachdem der Deckel abgenommen wurde: Im Gegensatz zu anderen Herstellern von Klemmbausteinen müssen die Teile erst einmal wie beim herkömmlichen Modellbau aus ihren Gießästen gelöst werden. Dies ist mit mindestens 45 Minuten nicht nur ein nicht gerade kurzes Unterfangen, manche Teile sitzen zudem so fest, dass ein 8-jähriges Kind, dieses Mindestalter wird von Clementoni angegeben, diese nicht ohne die Hilfe eines Erwachsenen abgetrennt bekommen dürfte. Natürlich könnte dazu auch eine Schere genutzt werden, was aber wiederum dem Bauen mit Klemmbausteinen ein wenig zuwider laufen dürfte. Darüber hinaus könnte zwar wie im Modellbau üblich ein Skalpell verwendet werden, aber welches Elternteil möchte einem Kind in diesem Alter solch ein scharfes Utensil in die Hand geben?
Ein schmaler Grat
Aber auch die Teile selbst besitzen ein gewisses Gefahrenpotenzial. So kann mit dem Daumen bei den schwer herauszulösenden Steinen schnell an den scharfen Kanten der Gießäste vorbeigeschrammt werden, aber auch der zurückbleibende Grat an den Bauteilen selbst ist in seiner Schärfe nicht ungefährlich. Werden diese deswegen begradigt, so kann alleine für die Vorbereitung zum Bauen schnell eine Stunde vergehen – für den Preis völlig inakzeptabel.
Noch skurriler wird es bei den beiden zum Set gehören Kreuzgelenken, welche vor dem Bau erst einmal zusammengesetzt werden müssen. Einmal davon abgesehen, dass dies eine recht kniffelige und Geduld verlangende Angelegenheit darstellt, ist für den Zusammenbau auch ein größerer Kraftaufwand erforderlich. Es darf erneut bezweifelt werden, dass ein achtjähriges Kind beides aufbringen kann.
Gespart wurde auch bei den Rädern, bei welchen die Felgen recht groß ausfallen und von den eher dünnen und harten Reifen umhüllt werden.
Der Zusammenbau
Clementoni bietet mit dem Set zehn Vorlagen für Modelle an, welche aus den vorhandenen Teilen gebaut werden können. Darunter befinden sich neben kleinen technischen Apparaturen zur Verdeutlichung der jeweiligen Funktionen wie Pleuel und Kolben verschiedene Modelle wie der bereits genannte Monster Truck, ein Quad, ein Offroad Racer oder ein Spider Truck. Das Set führt Anleitungen für die ersten drei Modelle mit sich, für die restlichen Fahrzeuge muss die für iOS und Android erhältliche App bemüht werden. Somit stimmt auch hier das Versprechen von zehn Modellen auf der Verpackung nicht in aller Gänze – besitzt das Kind kein Tablet, kann es die restlichen Autos nicht bauen. Darauf wird jedoch erst auf der Verpackungsrückseite aufmerksam gemacht.
Anleitung mit vielen Schwachstellen
Die Anleitung selbst ist an vielen Stellen für das Mindestalter zu kompliziert ausgelegt und oftmals auch völlig mit Änderungen überfrachtet. Während Lego gerade seinen jungen Bauherren meist zu wenig zumutet und nur wenige Teile pro Bauabschnitt hinzufügt, übertreibt es der Hersteller hier und geht damit genau ins andere Extrem. Auch ist an nicht wenigen Stellen nicht genau zu erkennen, wo neue Teile genau hingesteckt werden sollen. So ist es ratsam, genaustens auf die aufgezeichneten Pfeile zu achten. Darüber hinaus wird nicht angegeben, wann das Modell gedreht werden muss, was besonders zu Anfang ungemein verwirrt . Zudem ist die Anleitung nicht ganz frei von Fehlern.
Da geht das Bauen mit der App und der sich darin befindlichen interaktiven 3D-Anleitung deutlich einfacher von der Hand, denn in dieser wird per Animation gezeigt, wo welches Teil hingehört. Sollte dies dennoch einmal nicht genau zu erkennen sein, kann das Modell gedreht und somit der Blickwinkel geändert werden. Aber auch hier ist nicht alles Gold was glänzt, denn pro Bauabschnitt wird – zumindest bei den getesteten Modellen – genau ein Teil verbaut. Somit kann das Bauen per App schnell in einer Tipp-Orgie enden, eine Möglichkeit zur Einstellung der verwendeten Teile pro Bauabschnitt wäre ein großer Vorteil gewesen.
Durch die etwas undurchsichtige Bauanleitung kann sich zwar auf eine lange Bauzeit gefasst gemacht werden, den Bauspaß verlängert dieser Umstand jedoch nicht. Vor allem dann nicht, wenn Teile an falschen Stellen angebracht wurden und dies erst ein paar Abschnitte später auffällt. Das führt dazu, dass nach rund einer Stunde gerade erst einmal das Grundgerüst gefertigt wurde. Bei Lego dürfte zu diesem Zeitpunkt das Modell schon fast fertig sein.
Teile mit ungewohnten Funktionen
Die verwendeten Steine halten für Lego-gewohnte Baumeister zudem ein paar Überraschungen parat. So besitzen manche Pins kleine Ausbuchtungen, mit welchen sich diese in den Liftarmen und über diese andere Teile fixieren lassen – ähnlich wie es von den Achsen bekannt ist. Das ist an sich erst einmal eine gar nicht so schlechte Idee, jedoch lassen sich die Pins auch nur in einer bestimmten Richtung einrasten. Das Problem dabei: Es muss auch darauf geachtet werden, dass diese Pins die richtige Position besitzen, um auch auf der anderen Seite Teile aufnehmen zu können. Dies fällt jedoch oftmals zu spät auf, nämlich dann, wenn in der Zeit bereits einige weitere Teile verbaut wurden, welche in der Folge wieder abgelöst werden müssen.
Auch bei den Achsen muss aufgepasst werden, denn die vom Hersteller angegebenen Nummern in den Anleitungen stimmen nicht mit den gewohnten Längen überein, eine vier Noppen lange Achse wird dort mit einer „1“ versehen, sechs Noppen mit einer „2“ und so weiter.
Für das gesamte Modell werden am Ende rund 100 bis 120 Minuten benötigt, zusammen mit der Vorbereitung können somit vom Öffnen der Verpackung bis zum fertigen Modell gut drei Stunden vergehen.
Es ruckelt und hakt
An die Laufgeschmeidigkeit anderer Hersteller kommt das Modell nicht heran, ohne Korrekturen hakt es an vielen Ecken und Enden. So müssen die Achsen der Vorderräder ein deutlich höheres Spiel erhalten um sich überhaupt zu bewegen. Auch bei dem hinten angebrachten Differenzialgetriebe läuft nicht alles rund, was nicht zuletzt an den Trennstellen der Gießäste liegen dürfte. Auch die Lenkung läuft nicht so gleichmäßig, wie es manch einer von anderen Modellen gewohnt ist, dazu löst sich das Zahnrad, welches als HOG-Lenkung fungiert, recht schnell.
Daneben wird die eine oder andere Ankündigung auf der Verpackung nur mäßig umgesetzt – so wird die „unabhängige Federung“ lediglich durch zwei Gummis realisiert.
Der Monster Truck hat am Ende kaum etwas Neues oder eigenständiges zu bieten, was die bisherigen negativen Aspekte wieder herausreißen könnte – weder gestalterisch noch funktional.
Qualität der Steine
Die Steine des Sets sind völlig kompatibel zu den Bauteilen anderer Hersteller, somit auch zu den Technik-Sets von Lego. Im Vergleich zu diesen fallen jedoch einige Unterschiede auf. Sicherlich aus der Vorsicht heraus, keine 1:1-Kopien von noch geschützten Steinen zu verkaufen, hat Clementoni viele der Steine sichtbar anders gestaltet als der dänische Marktführer. So sind die Liftarme an den Ecken nicht komplett rund, sondern mit leichten Einbuchtungen versehen. Auch die Löcher zum Einstecken der Achsen und Pins sehen anders aus. Funktional bleibt aber alles gleich.
Im direkten Vergleich ist ebenso das Gefühl beim Bauen ein anderes, es scheint, dass die Bauteile aus einem etwas anderem Material gefertigt werden. Weitere Unterschiede werden in den verwendeten Farben deutlich, welche nicht zu 100 Prozent mit denen des dänischen Marktführers übereinstimmen, sondern gerade bei den roten, grauen und schwarzen Steinen sichtbar blasser wirken. Dies fällt jedoch nur im direkten Vergleich auf. Die Steine selbst weisen innerhalb ihrer Farben keine Verläufe oder Unterschiede auf.
Die Klemmkraft ist vergleichbar mit der anderer Hersteller, gleiches gilt für die verwendeten Pins. Sollten also eventuelle Instabilitäten auftreten, so ist dies der Konstruktion des Modells und nicht den Steinen zuzurechnen.
Fazit
Um es kurz zu machen: Der Monster Truck aus der Construction Challenge von Clementoni bietet nicht annähernd etwas, was den Preis von rund 20 Euro rechtfertigen würde. Bei 10 Euro für das Set könnte noch damit argumentiert werden, dass zu dem Preis nicht mehr möglich ist, aber für den Preis bieten andere Hersteller wesentlich mehr.
Zu vieles zu kritisieren
Dabei reiht sich ein Kritikpunkt an den nächsten: Die zunächst nach klassischer Modellbauart aus den Gießästen herauszutrennenden einzelnen Teile und die damit benötigte Zeit von 45 bis 60 Minuten, die dabei teilweise vorhandene Verletzungsgefahr und auch der an vielen Teilen verbleibende Grat dürfen nicht unerwähnt bleiben. Letzterer sorgt beim fertigen Modell zudem, dass dieses an vielen Ecken nicht wirklich rund läuft.
Dazu kommt die für das Mindestalter an vielen Stellen unübersichtliche und schwer zu deutende Bauanleitung, auch wenn die Clementoni-App hier Abhilfe schaffen kann – aber auch nur wenn das Kind ein Tablet besitzt.
Die bereits einzeln vorhandenen Teile besitzen dagegen eine gute Qualität, auch die Klemmkraft der Pins ist gut. Gleiches gilt für die Gleichmäßigkeit der Farben, auch wenn diese nicht kräftig erscheinen wie von anderen Herstellern.
Doch die wenigen positiv zu erwähnenden Punkte können nichts daran ändern, dass vom Kauf des Sets nur abgeraten werden kann. Für den angeschlagenen Preis bekommen Käufer selbst von Lego, welche oftmals als überteuert empfunden werden, deutlich bessere Sets. Diese beinhalten dann zwar ein paar Teile weniger, dafür sind diese genauso wie das fertige Modell von deutlich besserer Qualität. Oder es wird etwas mehr investiert – der Balisong Small Supercar von Xingbao (Review) zum Beispiel ist mit rund 50 Euro zwar deutlich kostspieliger, bietet mit 1177 fast 6 mal so viele Teile – und ein wesentlich interessanteres Modell.
Galileo Construction Challenge – Monster Truck im Review – Slideshow
Galileo Construction Challange - Monster Truck im Review
- Pins können Teile fixieren
- gute Klemmkraft
- Bauen per App leichter
- ein Großteil der Steine in Gießäste und muss zunächst gelöst werden
- Grate an einigen Teilen
- Preis nicht gerechtfertigt
- unübersichtliche Anleitung
- bis auf drei Modelle alle nur per App
3 Kommentare
Ortwin
Vorsicht, die Teile sind NICHT voll mit Lego usw. kompatibel! Hier genauer ausgeführt:
https://www.lepinboard.de/viewtopic.php?f=61&t=5533
Schade, denn gerade die Sonderformen wären ja eine spannende Ergänzung der Technic-Sammlung gewesen.
Klotz
Ich hatte auch ein Set aus der Reihe probiert und bei dem waren die Teile nur sehr eingeschränkt mit Lego kompatibel. Gerade die Pins waren für Lego zu locker und Lego Pins gingen nur schwer in die Löcher. Die Räder hielten nicht mit Lego teilen zusammen. Generell wäre ich von der Qualität und insgesamt nicht beeindruckt. Ich habe den ganzen Kram dann weggeschmissen.
Basti
Wenn ich für die Qualität eine Note geben müsste 5. Nichts passt wirklich entweder zu locker oder es hält gerade so. Mein Kind kann da mit nicht spielen, verliert laufend die Reifen und andere Teile. Fatsiet einfach nur schlecht, da sind die Produkte von Temu so gar noch ein wenig besser.
LG Basti