Das Modell des Erlöserturms des Kremls in Moskau könnte vor allem Einsteigern in den Architekturbereich eine Möglichkeit zum ersten „reinschnuppern“ bieten, besonders was die Komplexität und Bauzeit angeht. Hier können auch mal die Gedanken schweifen gelassen werden, ohne das sich sofort verbaut wird. Die Steinequalität dagegen bleibt etwas hinter der anderer Modelle des Herstellers zurück.
Das Original
Der Erlöserturm des Kremls stellt einen der heute erhaltenen 20 Wachtürme der Stadt Moskau dar, welcher zusammen mit der Stadtmauer größtenteils 1485 bis 1499 von diversen italienischen Architekten, unter ihnen Aloisio da Milano, Marco Ruffo und Pietro Antonio Solari, erbaut wurde. 19 dieser meist individuell gestalteten Türme dienten als Wehranlage, lediglich der Zarenturm, auch Kutafja-Turm genannt, welcher erst 1680 hinzugefügt wurde, stellt ein reines dekoratives Bauwerk und den einzigen erhaltenen Turm außerhalb der Mauer dar.
Der Erlöserturm dürfte dabei mit zu den bekanntesten Wachtürmen des Moskauer Kremls gehören, gleichzeitig ist er mit 67,3 Metern das höchste Bauwerk am Roten Platz. Der rubingläserne Sowjetstern ziert den Turm jedoch erst seit 1937 und erhöht dessen Gesamtgröße sogar auf 71 Meter. Das auch im Modell vorhandene Durchfahrtstor dient heute ausschließlich für die Ein- und Ausfahrt von Dienstfahrzeugen, stellte bis Anfang des 20. Jahrhunderts jedoch den wichtigsten Paradeeingang zum Kreml dar, durch den alle gekrönten russischen Zaren und Kaiser bei ihrer feierlichen Krönungszeremonie eintraten.
Errichtet wurde der Turm 1491, ein Ausbau mit dem reichlich ornamentierten oberen Teil, einschließlich des Glockenturms sowie einer später mit dem zaristischen Doppeladler gekrönten Turmspitze, folgte 1624. Das aufwendige Uhrwerk mit ihren 5 Meter im Durchmesser messenden Zifferblättern für die erste bekannte Turmuhr des Erlöserturms wurde vom schottischen Architekten und Uhrmacher Christopher Galloway entworfen. 1709 wurde diese durch ein niederländisches Uhrwerk samt Glockenspiel und ein modernes 12-Stunden-Zifferblatt ersetzt.
1812 wurden Teile des Erlöserturms im Krieg gegen Napoléon stark beschädigt und 1815 repariert. Ab 1851 wurde zudem die Uhr durch das heutige, sich auf drei Stockwerke verteilende Uhrwerk ersetzt und mit den bekannten Zifferblättern mit einem Durchmesser von 6,12 Metern ausgestattet. Fortan beinhaltete die Uhr vier Anzeigen, eine pro Turmseite. Die sich im Glockenturm, unterhalb der Spitze des Erlöserturms, befindlichen Glocken schlagen jede Viertelstunde die Zeit und spielen heute zweimal täglich – um Mittag und um Mitternacht – die Melodie der russischen Nationalhymne.
Das Modell
Mit seinen 1.048 Teilen stellt die Umsetzung des Erlöserturms des Kremls in Moskau von Wange eines der „kleineren“ Modelle des chinesischen Herstellers dar. Diese sind bei dem rund 50 Euro kostenden Set in insgesamt 8 Tüten im Shantou-Style, also ohne Bauabschnittssortierung, verpackt. Das bedeutet für den Baumeister am Anfang erst einmal sortieren. Da die Teileanzahl aber überschaubar ist, dürfte sich eine normale Tischgröße als ausreichend erweisen. Für viele Baumeister gehört das Sortieren der Steine zudem bereits zum entspannenden Bauen dazu, auch um sich mit den speziellen oder selteneren Teilen vertraut zu machen. Dafür sollten rund 30 bis 45 Minuten eingerechnet werden. Da die roten Bauteile hier deutlich in der Überzahl sind, wäre es angebracht, diese auch grob nach ihrer Art zu unterteilen.
Die Anleitung
Die Bauanleitung besitzt 16 Seiten, wobei sofort auffällt, dass diese weniger aufwendig gestaltet ist, als bei anderen Modellen von Wange üblich. So fehlen die Hinweise, wie positiv sich das Bauen mit Klemmbausteinen auf die kindliche Entwicklung auswirkt. Auch die Übersicht über Größen von Achsen und Steinen fehlt genauso wie ein kurzer geschichtlicher Abriss über das Original, welches für das Modell Pate gestanden hat.
Zudem sieht die farbliche Gestaltung anders aus: Zwar nutzt Wange auch beim Modell des Erlöserturmes das Prinzip der Reduktion, doch bereits verbaute Teile werden nicht wie gewohnt in Weiß und einem hellen Grau, sondern in einem Blau-Grau dargestellt. Darüber hinaus finden sich meist acht Bauschritte auf einer Doppelseite.
Generell ist die Anleitung auch dieses Mal verständlich aufgebaut, auf die richtige Abfolge muss der Baumeister jedoch achtgeben: Es gibt die eine oder andere Stelle, in denen nur drei Bauschritte auf einer Seite zu finden sind und der mittlere Abschnitt etwas erhöht dargestellt wird – wird hier nicht auf die Schrittnummer geachtet, wird intuitiv der höher angezeigte Abschnitt gebaut, was sich als falsch erweist.
Ansonsten sollten auch Anfänger mit der Bauanleitung gut klarkommen. Lediglich an die isometrische Darstellung und daran, dass das Modell während des gesamten Bauvorganges in der Anleitung nicht gedreht wird, müssen sich Neulinge erst gewöhnen. Bei komplexeren Modellen kann der stets gleiche Blickwinkel das richtige Positionieren des einen oder anderen Teils erschweren, beim vorliegenden Modell ist dies aber nicht der Fall.
Der Aufbau
Auch wenn das von Wange wie üblich mit sechs Jahren angegebene Mindestalter erneut deutlich zu optimistisch gewählt ist, dürfte das Set auch erwachsenen Baumeistern, welche mit dem Architekturbereich nicht so vertraut sind, keine großen Probleme bereiten. Die einzelnen Bauschritte bauen logisch aufeinander auf, komplexe Bautechniken wird es, soviel sei schon verraten, nicht geben.
Bereits mit den ersten Bauschritten nach dem Zusammensetzen der Grundplatte wird deutlich, dass sich das Set aus mehreren Segmenten zusammensetzt, welche erst später zu einer stabilen Einheit zusammengeführt werden. Das wird zum Beispiel an den Kopfteilen der beiden seitlichen Flügeln deutlich, welche erst nach 11 Reihen einen Abschluss erhalten. Die vordere Wand mit dem Eingangsbogen muss noch länger auf ihre Verankerung warten.
Ansonsten ist der Aufbau recht einfach gehalten, der Baumeister kann gemütlich und gedankenverloren vor sich hin bauen, lediglich auf die richtige Reihenfolge sollte, wie bereits erwähnt, geachtet werden. Ebenso sollten keine hohen Details wie bei anderen Modellen von Wange erwartet werden.
An manchen Stellen hätte Wange die Steinewahl jedoch ein wenig besser treffen können: So werden über dem Eingang zwei 2 × 1 Noppen große Steine verbaut, obwohl hier die Lösung mit einem 1 × 4-Brick deutlich mehr Stabilität zur Folge hätte. Gleiches gilt für das Turmsegment mit den Uhren, bei dem Wange in den ersten Reihen zwei 1 × 3 Bricks statt eines 1 × 6 verwendet – was ebenfalls der Stabilität dienlicher gewesen wäre. Dem Hersteller hier eine künstliche Erhöhung der Bauteile vorzuwerfen wäre aber unpassend, denn an anderer Stelle hätte Wange die Möglichkeit dazu gehabt: So ist der obere Teil des breiten Turmsegmentes auf jeder Seite mit einer 4 × 12 und einer 2 × 4 Noppen großen Plate abgedeckt – eine Umsetzung mit jeweils einer 1 × 4 Plate oben und unten hätte ebenfalls für mehr Stabilität gesorgt und davor geschützt, dass sich die große Platte beim Aufnoppen neuer Teile durchdrückt. Ebenso hätten die Steine, an denen die vier Uhren angeklemmt sind, um eine Reihe erhöht werden können, damit diese oben bündig abschließen und ebenso stabiler sitzen.
Beim Glockenturm kann es beim Aufsetzen der Spitze noch einmal kniffelig werden, aber auch das ist mit ein wenig Geduld zu bewerkstelligen. So bietet der Erlöserturm des Kremls in Moskau mit rund fünf Stunden Bauzeit einen kurzweiligen und einfachen Bauspaß.
Qualität der Steine
Die Steinequalität fällt beim vorliegenden Modell etwas vom eigentlichen Wange-Standard ab. Gerade die roten Steine weisen teils sichtbare Schlieren auf. Das kann auch nur für die beim vorliegenden Set genutzten Charge gelten, bei Anderen können diese wieder eine deutlich bessere Qualität aufweisen. Die Basilius-Kathedrale in Moskau (6213) (Review) verwendet an vielen Stellen gleiche Steine, welche dort aber eine wesentlich höhere Qualität aufweisen. Darüber hinaus besitzen wenige Steine Farbkleckse, die sich jedoch durch eine entsprechende Ausrichtung kaschieren lassen. Interessant sind zudem die Sonderteile zur Verzierung, welche sich auch wunderbar für eigene Kreationen nutzen lassen.
Die Klemmkraft ist dagegen auf einem sehr guten Niveau, lediglich einer der transparenten Köpfe, welche am Eingang als Lampen genutzt werden, fällt bei Berührung schnell ab. Ebenso gut ist die Farbgleichheit, welche bei allen Farben gegeben ist.
Das Set besitzt keine Aufkleber, die Prints in Form der als Uhren bedruckten Parabolspiegel sowie das Namensschild sind von guter Qualität.
Fazit
Durch die geringe Komplexität und den schnellen Aufbau eignet sich der Erlöserturm des Kremls in Moskau eher für Neulinge, welche erst einmal in den Architekturbereich hineinschnuppern wollen. Erfahrene Baumeister sollten zwar auch ihren Bauspaß erhalten, dürften sich jedoch zeitweilig etwas unterfordert fühlen – auch wenn das Ergebnis am Ende schön anzusehen ist. Dennoch hätte dem Modell ein wenig mehr Detailreichtum gut zu Gesicht gestanden, auch wenn das Original in der Hinsicht ebenso recht schlicht gestaltet ist. Auch lassen manche Bautechniken vor allem erfahrene Baumeister etwas ratlos zurück.
Die Steinequalität liegt etwas unter der von Wange bekannten Qualität, wobei die Klemmkraft und die Farbgleichheit nicht zu beanstanden sind. Problematisch wird es dagegen bei der Beschaffenheit der Steine. Auf einigen, wenn auch wenigen, sind Kratzer zu sehen, gerade bei den roten Steinen sind zudem viele Schlieren zu erkennen. Das kann an der Charge der Steine liegen, bei anderen Modellen weisen diese eine deutlich höhere Qualität auf. Das Problem ist aber auch in einem anderen Bezug zu suchen: Gelangt das Set in dieser Form in die Hände eines Um- oder Neueinsteigers, kann die Qualität schnell komplett auf die alternativen Hersteller projiziert werden – und das würde diesen nicht gerecht werden.
Gespart wurde auch an der Bauanleitung, welche gegenüber anderen Architektur-Sets von Wange deutlich einfacher gehalten wurde. Dennoch steht diese in Sachen Verständlichkeit den bisherigen Anleitungen in nichts nach.
Anmerkung zum Review
Der Erlöserturm des Kremls in Moskau (5219) von Wange wurde Just Bricks freundlicherweise von Steinchenshop für diesen Review kostenlos zur Verfügung gestellt. Eine Einflussnahme auf den Artikel fand nicht statt, eine Verpflichtung zur Veröffentlichung bestand ebenfalls nicht.
>> Der Erlöserturm des Kremls in Moskau (5219) von Wange bei Steinchenshop
Wange – 5219 – Erlöserturm des Kremls in Moskau im Review – Slideshow
Wange - 5219 - Erlöserturm des Kremls in Moskau im Review
- auch für Einsteiger geeignet
- einfaches, aber schönes Modell
- hohe Klemmkraft
- interessante Sonderteile
- gute Farbgleichheit
- verständliche Anleitung
- bedruckte Teile
- einige Steine weisen Schlieren auf
- manchmal seltsame Bautechniken