Das Modell der berühmten Lisbon Tram von Jie Star besticht vor allem durch seine tollen Bautechniken, dem dadurch resultierenden hohen Bauspaß und die gute Teilequalität. Leider handelt es sich hierbei erneut um die unlizenzierte Verwendung eines MOCs, bei dem der chinesische Hersteller an einigen Stellen zudem Möglichkeiten für Verbesserungen ungenutzt ließ.
Das Modell
Wer das Diorama der Lisbon Tram von Jie Star sein Eigen nennen will, der muss hierzulande rund 150 Euro über die jeweilige Ladentheke wandern lassen. Durch diesen Umstand schicken sich damit immer mehr Modulars der alternativen Hersteller an, in die Preisgefilde des dänischen Marktführers vorzudringen. Bei dem genannten Set handelt es sich jedoch nicht um eine Eigenkreation des Herstellers, sondern um ein MOC, das von Pablo Sánchez Jiménez, besser unter seinem Pseudonym „Bricky_Brick“ bekannt, erstellt wurde und das dieser am 1. März 2020 im Rahmen des Lego-Ideas-Programmes eingereicht hatte. Wie viele seiner Designs, darunter „The Costume Store“, „Claus Toys“, „The Little Venice“, „The Apartment“ oder die „Brickwest Studios“, hatte auch die Straßenbahn von Lissabon kein Problem damit, schnell die nötigen 10.000 Unterstützer hinter sich versammeln zu können – in diesem Fall rund ein Jahr später im April 2021. Beim dänischen Marktführer ist das Set jedoch nie erschienen.
Lizenzsicherung
Da Lego sich diversen Quellen zufolge immer noch die Rechte der eingereichten Sets für drei Jahre sichert, kann es sich somit alleine schon rechnerisch nicht um ein von Jiménez lizenziertes Modell handeln. Aus diesem Grund ist es somit leider ebenso wenig möglich, die originale Bauanleitung bei bekannten Portalen wie Rebrickable zu erwerben und den Designer damit zu unterstützen.
Das Modell wird laut Karton aus 3.080 Teilen gefertigt, wobei das vorliegende und von „Die Klemme“ bezogene Set aus rechtlichen Gründen keine Figuren mit sich führt. Diese eigene Limitierung ist in diesem Fall jedoch durchaus nachvollziehbar, da die Figuren auf den offiziellen Produktbildern denen des dänischen Marktführers „zum Verwechseln ähnlich sehen“. Somit ist ebenso davon auszugehen, dass die reale Steinezahl etwas tiefer als die auf der Verpackung angegebene liegt – aus zeitlichen Gründen wird aber auf eine Neuauszählung verzichtet.
Der Inhalt der 60 × 45 × 13 cm großen Umverpackung verteilt sich noch einmal auf vier kleinere Kartons, welche jedoch weder beschriftet sind noch die einzelnen Bauabschnittstüten in geordneter Form führen – so enthielt ein Karton die Tüten 2, 7 und 9. Daher müssen die Behälter zunächst entleert und die darin enthaltenen 12 Haupttüten sortiert werden. Am Ende des Bauvergnügens wird der Baumeister insgesamt 73 Tüten geöffnet haben, womit sich im Durchschnitt rund 42 Teile in einer solchen befinden dürften. Darüber hinaus führt das Set 8 Prints und 14 Aufkleber, wobei letztere gut geschützt in der Bauanleitung liegen.
Das Set ist zudem mit einem Mindestalter von 8 Jahren versehen, was an manchen Stellen doch etwas zu optimistisch gewählt ist. Die verwendeten Bautechniken können dabei nicht das einzige Problem darstellen, Kinder in genannten Alter dürften in den meisten Fällen noch nicht die nötige Ausdauer aufbringen, um solch ein großes Modell über die lange Zeit aufbauen zu können.
Das Original
Die im originalen Modell dargestellte Szenerie spielt sich laut dem Designer an der Mündung des „Tajo“ ab, einem 1.007 km langen Fluss, der durch Spanien und Portugal fließt und den längsten Fluss auf der iberischen Halbinsel darstellt. Gezeigt wird die in Lissabon berühmte Straßenbahnlinie 28, die den Praça Martim Moniz, einem zentralen Platz der Stadt, mit der Gemeinde Campo de Ourique verbindet. Auf diesem Weg fährt sie unter anderem durch die Stadtteile Graça, Alfama, welches für das traditionelle Kunsthandwerk und seine Cafés bekannt ist, den historischen Stadtkern Baixa sowie Estrela, die allesamt als Anziehungspunkte für Touristen gelten.
Die Anleitung
Die Bauanleitung besitzt in etwa die Größe eines DIN-A4-Blattes und wird im Querformat gelesen. Auf 117 Seiten werden insgesamt 272 Bauschritte in guter Druckqualität und in den unterschiedlichsten Größen dargestellt – mal nur einer auf einer Seite, an anderen Stellen können es auch mal 6 oder mehrere Schritte sein. In den meisten Fällen beläuft sich die Anzahl jedoch auf 3 bis 4 Darstellungen. Bei Seite 117 wird jedoch ein Sprung auf Seite 122 sichtbar, ein genauer Blick zeigt, dass dazwischen einige Seiten herausgetrennt wurden. Warum lässt sich nur vermuten, es liegt aber nahe, dass hier der Zusammenbau der normalerweise zum Set gehörenden Figuren abgebildet wird.
Jie Star setz bei der Darstellung des Aufbaus, wie viele andere alternative Hersteller ebenfalls, auf das Prinzip der Reduktion. Das bedeutet, dass nur neue Teile in ihren eigentlichen Farben dargestellt werden, bereits Verbautes dagegen abgeschwächt – im vorliegenden Fall Blau-Grau. Solch eine Darstellung besitzt Vor- wie auch Nachteile: So wird der Fokus auf das Wesentliche gelegt – nämlich auf die neuen Teile. Auf der anderen Seite können verschiedene Farben beim bisher gebauten Modell für mehr Orientierung sorgen.
Immer nur eine Ansicht
Auffällig ist zudem, dass alle Bauschritte in isometrischer Ansicht dargestellt werden, womit der gesamte Bauvorgang immer aus dem gleichen Winkel betrachtet wird. Diese Form kann den Nachteil besitzen, dass manche Teile durch andere Teile verdeckt werden, was vor allem bei großen Modellen zu Problemen in der Orientierung und zur falschen Platzierung von Teilen führen kann. Im vorliegenden Fall sollte dies aber weniger der Fall sein.
Alle neuen Teile werden in einem kleinen Kästchen angezeigt. Sollten Teile dabei sein, bei denen nicht sofort die Größe zu erkennen ist, wie unter anderem bei Fliesen, wird die Noppenanzahl ebenfalls mitgeteilt. Erfahrene Baumeister dürften die Größen am Verhältnis zu den anderen Steinen zwar meist erkennen, aber für Neulinge halten die zusätzlichen Angaben eine wichtige Hilfe bereit. Die Teileanzahl übersteigt zwar hier und da das Niveau des Marktführers, mehr als 20 Steine pro Bauschritt sind aber eher selten.
Generell sollten sich auch Neu- und Wiedereinsteiger im Bereich der Klemmbausteine in der Anleitung schnell zurechtfinden. Alte Hasen werden sich dagegen sofort wie Zuhause fühlen.
Da sich Lego, wie bereits erwähnt, bei für den eigenen Ideen-Wettbewerb eingereichten Modellen die Rechte für drei Jahre sichert, ist auch die Anleitung für das genannte Set auf einschlägigen Portalen wie Rebrickable (noch) nicht erhältlich. Somit hat der chinesische Hersteller zumindest einen gewissen Eigenanteil zur Umsetzung beigetragen – was die fehlende Lizenz jedoch nicht relativieren soll.
Der Aufbau
Der Bau des mit einer Grundfläche von 48 × 33 Noppen versehenen Modells beginnt mit der Erstellung der Grundplatte, welche später das Bauwerk tragen wird. Hier greift der Designer nicht auf die typischen Basisplatten zurück, sondern legt zwei Schichten Plates übereinander, wobei die obere Schicht aus sechs 16 × 16 Noppen großen Platten sowie mehreren kleineren Plates mit einer Noppe Breite zusammengesetzt wird. Dies geht generell einfach von der Hand, erfordert aber einige Kraft in den Fingern. Dafür ist die so selbst erstellte Grundplatte wiederum recht stabil. Anschließend wird zunächst, aus hauptsächlich 2 × 3 Noppen großen Plates sowie mehreren genauso großen Fliesen, eine kleine Erhebung gebaut.
Viele interessante Bautechniken
Die erste interessante Umsetzung erfolgt mit der Darstellung der Pflastersteine an den Schienen und dem kleinen Durchgang in der Hausmitte. Diese werden nicht wie so oft durch Fliesen dargestellt, sondern in diesem Fall durch seitlich gelegte Maustersteine. Bei dieser als SNOT (Studs Not On Top) bezeichneten Bautechnik werden die Steine mit den Noppen nach vorne, Reihe für Reihe gebaut. Diese Bauweise wurde unter anderem beim Lego Ideas-Set Central Perk (21319) für die Teppiche verwendet und mit in das „Friends Cafe“ von Mould King (Review) übernommen. Auf ähnliche Weise wurde auch ein Teil des Bodens samt Mosaik im Erdgeschoss des Maritimen Museums von Xingbao umgesetzt. Das von der Straßenbahn benötigte Gleisbett samt Schienen wird dabei durch Brick Modified 1 × 4 with Groove, also einem 1 × 4 Noppen großen Stein mit einem Schlitz in der Mitte, angedeutet.
Das ist aber noch nicht alles, wo sich der Designer als sehr einfallsreich zeigt: So werden die Flächen zwischen der Straße und den Häusern, die später mit Fliesen verziert werden, durch ebenfalls liegende Brick Modified 1 × 2 × 1 2/3 mit Noppen an den Seiten umgesetzt – die durch die liegende Position der Steine nun nach oben gerichtet sind. So lässt sich die Baurichtung der vorher angedeuteten Pflastersteine und der Schienen problemlos weiterführen, aber ebenso Steine in normaler Bauweise auf diese Konstruktion klemmen.
So interessant die Umsetzung auch ersonnen wurde, so schnell ist der erste Teil aufgebaut. Erfahrene Baumeister sollten dafür inklusive Sortieren der Steine rund 30 Minuten benötigen.
Der nächste Bauabschnitt ist ebenso nur von kurzer Dauer. In diesem wird ein Rahmen gefertigt, der die zuvor gebaute Straße plus Anhang umgibt und diese somit fixiert. Dies geht jedoch nicht immer ohne einen etwas größeren Kraftaufwand einher. Dadurch entsteht eine merkliche Spannung, welche die über die liegenden Brick Modified realisierte Fläche leicht nach oben wölbt. Dies ist vor allem dann zu erkennen, wenn später diese Flächen mit ihren Fliesen und Mustern versehen werden. Aber auch die Grundplatte zieht sich an den Seiten leicht hoch.
Ob dieses leichte Aufbäumen nur den Steinen von Jie Star zuzuschreiben ist oder ob die Spannung auch mit denen des dänischen Marktführers ebenfalls entstehen würden, kann an dieser Stelle weder bestätigt noch dementiert werden. Es liegt jedoch durchaus im Bereich des Möglichen, dass in baulichen Umsetzung der Grund für die seinerzeit erteilte Ablehnung seitens Lego zu finden ist. Die Designer des dänischen Marktführers könnten eventuell erkannt haben, dass auch mit den geringen Toleranzen der eigenen Steine eine Umsetzung nicht zu den Vorgaben des Unternehmens erreicht werden könnte. Weiter wird der kleine Weg durch das Gebäude gebaut und ebenso verlegt. Der Bauabschnitt endet dann erneut nach 30 Minuten.
Mir san mit’m Radl da
Etwas länger, nämlich rund 3 Stunden, wird der Baumeister in den nächsten beiden Bauschritten verbringen, mit denen der Fahrradladen aufgebaut und eingerichtet wird. Auch hier sind wieder einige nette Bautechniken zu finden, welche vor allen für angehende Baumeister interessant sein dürften. So sind die Fenster mittels 1 × 3 Jumper-Plates mit zwei Noppen um eine halbe Noppe seitlich und durch zwei um 90° darauf gesetzte 1 × 2 Jumper-Plates mit einer Noppe ebenso um eine halbe Noppe nach innen versetzt. Die dadurch entstandene Lücke wird mittels 1 × 1 Noppen breiten und 1 oder 2 Einheiten hohen Brick Modified mit Noppen an den Seiten und einer darauf angebrachten 1 × 6 Noppen großen Fliese gefüllt, was den grünen Fenstern zusammen mit den gleichfarbigen Jumper-Plates eine kontrastreiche Einrahmung beschert. Farblich sind hier große Unterschiede zum Original zu finden, wurde bei diesem über beide Etagen hinweg, zumindest den Bildern nach, auf eine Art Fuchsia statt der orangenen Wandfarbe sowie weiße statt der nun genutzten gelben Umrandungen der ebenfalls weißen Fenster gesetzt.
Anschließend werden einige offene Stellen an der Fassade des Durchganges mit einer Mischung aus normaler und SNOT-Bauweise gefüllt, bevor ein Teil des Torbogens zum anderen Teil des Hauses gebaut und mit verschiedenen längeren und einer Noppe breiten Bricks stabilisiert wird.
Bei den 1 × 4 Brick Modified mit Noppen an den Seiten, die die Grundlage für die Verzierung der Front bilden sollen, scheint dem Hersteller jedoch ein Fehler unterlaufen zu sein. So besitzen diese nicht wie benötigt eine normale Höhe, sondern erreichen die Abmessung lediglich zu zwei Drittel. Das ist in der Hinsicht ärgerlich, da es auch andere Vorstellungen des Sets gibt (wie unter anderem im Lepinboard), welche über das gleiche Problem berichten. Da die Art der Steine an keiner anderen Stelle im bisherigen Bauverlauf Verwendung gefunden haben und auch nicht finden werden, kann somit eine Verwechslung ausgeschlossen werden. Das ist jedoch an sich noch kein großer Beinbruch, denn da es sich um gängige Steine handelt, dürften diese bei vielen Baumeistern, wenn nicht sogar bei den meisten, in der Sammlung vorrätig sein. Bei denen, die nicht über ein entsprechendes Sortiment an Steinen verfügen, bleibt nur der Gang über die Reklamation.
Einen genauen Blick sollte der Baumeister den beiden Fahrrädern, die dem Laden als Inventar dienen, widmen. Bei diesen ist der Lenker um knapp 90° verdreht, so wie viele Räder aus Gründen der Platzeinsparung von ihren Herstellern verschickt werden und die Händler erreichen. Ob das in diesem Fall so gewollt ist oder ob es sich dabei um einen Fehler handelt, kann nicht geklärt werden. Die genutzte Umsetzung birgt sowohl Vor- wie auch Nachteile: So wirken die Räder für ein Geschäft sehr realistisch, können aber im normalen Stadtleben nicht verwendet werden. Ansonsten ist das Fahrradgeschäft recht spartanisch eingerichtet, lediglich eine Kasse, die beiden Räder und zwei Helme zieren das Interieur.
Kein Modular
Zu guter Letzt wird das Dach mit seiner Verkleidung aufgesetzt und es kann mit der nächsten Etage weitergemacht werden – die auch wieder eine Überraschung bereithalten wird. An dieser Stelle werden zunächst zwei Dinge ersichtlich: Zum einen wird das Modell keine Rückwand besitzen und somit von hinten offen sein. Durch diese Bauweise lassen sich natürlich eine Menge Steine sparen und auch die Bespielbarkeit steigt. Gleichzeitig handelt es sich bei dem Modell streng genommen nicht um ein Modular, da die einzelnen Etagen fest miteinander verbunden und daher nicht abnehmbar sind.
Die Abschnitte fünf und sechs lassen sich wieder gut in einem Rutsch bauen. Hier stehen neben dem ersten Teil der Wohnung über dem Fahrradladen und der Backstube auf der rechten Seite vor allem der Durchgang und seine Konstruktion im Fokus.
Eulen sind nicht was sie scheinen
Begonnen wird aber mit der linken ersten Etage, bei der die Fassade, ähnlich des Fahrradladens, mit versetzten Fenstern und gleichen Farben gebaut wird. Bevor aber die Fenster eingesetzt werden, wird schon mit den ersten Teilen der Einrichtung begonnen. Beim Bett sollte der Baumeister jedoch etwas von der Bauanleitung abweichen und das Bett mit dem Kopfteil nicht an der Wand, sondern eine Noppe davon entfernt aufstellen – ansonsten liegt der Bewohner nicht auf dem Kissen, sondern auf der Fensterbank. Was aber die Eule zu bedeuten hat, weiß sicherlich nur Jiménez selbst. Es folgt die Andeutung eines WC, bevor schließlich die grünen Fenster eingesetzt werden und anschließend die Fassade noch etwas verziert wird.
Mit dem weiteren Aufbau der Wohnung wird auch noch etwas Anderes ersichtlich: Abgesehen vom Erdgeschoss wird keiner der Räume gefliest sein. Eine Sache, welche so exemplarisch für die alternativen Modelle steht wie die 1 × 5er Plate. Ob der Designer dies in weiser Voraussicht so gestaltet hat, weil Lego bei seinen Modular-Modellen ebenfalls schon seit langem dazu übergegangen ist, wenn überhaupt, nur noch das Erdgeschoss mit entsprechenden Teilen zu bedenken, ist unbekannt. Das Erscheinungsbild wird dadurch dennoch geschmälert.
In den letzten Bauschritten des fünften Abschnittes und in den ersten des nächsten wird die Grundlage für die Treppe, welche seitlich am Durchgang nach oben führen wird, gelegt. Hier muss sehr genau aufgepasst werden, da immer mal zwischen verschiedenen Bereichen gesprungen wird und dadurch schnell ein Teil übersehen werden kann. Teilweise wird dadurch auch die Küchenzeile der Backstube überbaut, die ebenso eine schöne Konstruktion darstellt. Ebenso wird an der Wand die andere Seite des Torbogens gebaut, welcher sich nun mit den Teilen der linken Hälfte trifft.
Licht am Ende des Tunnels
Der Durchgang selbst ist zudem eine sehr schöne Konstruktion. Viele Designer hätten es bei den Formteilen, die diesen überspannen, belassen – nicht aber Jiménez. Dieser fertigt aus zwei Elementen mit jeweils zehn grauen 4 × 4 Rundbögen einen inneren Torbogen, welcher genau auf den vorher gefertigten inneren Seitenmauern aufsetzt, das Segment dadurch ausfüllt und diesem somit ein realistischeres Aussehen verleiht.
Ist dieser Abschnitt fertiggestellt, wird mit der rechten Wohnung, beziehungsweise mit ihrer Fassade weitergemacht. Ist diese soweit fertiggestellt, kommt es zu etwas, was in vielen Forenbeträgen kontrovers diskutiert wurde: Die großen blau-weißen Aufkleber. Diese müssen über zwei Steine hinweg aufgeklebt werden, was das Unterfangen nicht so einfach gestaltet. Erschwerend kommt hinzu, dass die Sticker laut Anleitung auf die bereits geklemmten Steine geklebt oder die Steine wieder abgenommen werden müssen. Wer es leichter haben möchte, der muss entsprechende Segmente wieder lösen und dann die Aufkleber auftragen. Dann besteht aber die Gefahr, dass die Sticker an den vorgegebenen Stellen nicht gerade geklebt werden. Auch können durch das Überkleben mehrere Teile sich diese beim erneuten Anbringen verschieben und den Stickern leichte Knicke bescheren. Darüber hinaus passt das Blau mit dem weißen Hintergrund nicht wirklich zu den sandfarbenen und dunkelbraunen Steinen der Fassade. Beim Original kamen himmelblaue Aufkleber zur Verwendung, die zumindest optisch für einen höheren Kontrast zur Farbe der Mauern sorgten. Weitere sandfarbene Steine hätten an dieser Stelle aber ebenfalls ein harmonisches Bild ergeben.
Mit den beiden Bauabschnitten kann nun erst einmal Bergfest gefeiert werden, danach geht es quasi an die zweite Hälfte der Steine. Eine Stunde später steht die am Ende doch etwas karg eingerichtete Wohnung vor ihrer Vollendung, lediglich das Dach muss noch aufgesetzt werden. Das Hauptaugenmerk wurde in dem Abschnitt jedoch auf den Raum davor gelegt, der dem Anschein nach eine Küche mit Kochzeile, Tisch, Hocker und Waschmaschine beherbergt. Stück für Stück wird die danach Fassade hochgezogen und der Eingangsbereich mit Fliesen ausgelegt.
Anschließend werden die beiden als Verzierung dienenden Blumentöpfe angebracht, wobei es bei der Variante auf der linken Seite zu kleinen Problemen kommen kann: Dort ist eines der „Zuckerguss“-Elemente im Weg, womit der Topf nur leicht schräg angebracht werden kann. Wer sich aber die Bilder des Originals anschaut, wird schnell erkennen, dass dieser „Fehler“ bei diesem bereits vorhanden war. Findige Baumeister lassen sich davon jedoch nicht ins Bockshorn jagen, eine runde schwarze 1 × 1 Plate kann hier auf Wunsch Abhilfe schaffen und reiht sich dennoch gut in das Erscheinungsbild ein. Zu guter Letzt werden noch zwei weitere kleinere Blumentöpfe unter dem Fenster über dem Durchgang, eine kleine Ranke auf der Hausseite neben der Eingangstür sowie die orange-weißen Verzierungen unter dem späteren Dach angebracht, und schon ist dieser Abschnitt erneut nach rund 60 Minuten geschafft.
Eins aufs Dach
In den nächsten drei Abschnitten sorgt der Baumeister dann dafür, dass es zumindest von oben nicht in die Häuser hinein regnet, womit neben ein paar Verzierungen hauptsächlich das Dach der Wohnung über dem Fahrradladen und dem Durchgang gefertigt wird.
Zuerst werden mittels diverser Plates und Bricks das linke und mittlere Segment auf eine Höhe gezogen und dann größere Plates als Abdeckung darauf gelegt. Dabei muss auf der linken Seite ein wenig Sorgfalt walten gelassen werden, da die weißen Platten in der Mitte nicht abgestützt sind und sich daher leicht durchbiegen lassen. Ist dies geschafft, wird zunächst das Dach über den Durchgang gebaut, welches um die zuvor gebaute Dachgaube gelegt wird. Das unter der Verwendung vieler 1 × 1 Noppen großen Plates und Fliesen gebaute Dach ist dabei sehr fragil, da die beiden seitlichen Stücke nur über eine Noppe an dem dahinter liegenden Verbindungsstück angebracht sind. Ist dieses über die Gelenke mit dem Unterbau verbunden, werden die seitlichen schrägen Mauern samt Fenster gebaut. Nur noch ein paar Verzierungen unter anderem in Form von kleinen Fröschen, womit sich die Gestaltung von der Vorlage unterscheidet, angebracht sowie das kleine Runddach aufgesetzt und schon ist der Teil ebenfalls fertiggestellt.
Danke für den Fisch
Die letzten fünf Bauschritte werden dazu benötigt, die obere Front des rechten Hauses zu verzieren. Hier tritt jedoch ein kleiner Fehler auf: So muss laut Anleitung zwischen dem Fisch und dem gebogenen Dachstein darüber eine runde 1 × 1 Noppen große, runde Plate geklemmt werden. Beim realen Modell würde der aber auf den darunter angebrachten Slopes aufsetzen und der Dachstein könnte nicht mehr komplett auf die dafür vorgesehenen Noppen an den Seiten aufgesetzt werden. Es empfiehlt sich daher auf die runde Plate zu verzichten. Noch ein paar Ranken an der Treppenwand und schon kann mit der rechten Wohnung weitergemacht werden.
Hier wird zunächst die Häuserwand an der Treppe gefertigt und mit einem großen Aufkleber mit dem bereits beschriebenen Muster versehen. Danach wird die Inneneinrichtung, bestehend aus Stuhl, Tisch, Nachtkommode und Bett, eingesetzt. Wie bereits die andere Wohnung auf gleicher Etage ist auch diese ungefliest. Im weiteren Verlauf werden die Fenster eingesetzt und diese ebenso verkleidet. Dies geschieht auf ähnliche Weise wie im Haus auf der linken Haushälfte, nur dass hier die Mauerstücke zwei Noppen tief sind und somit auch breitere Fliesen zum Einsatz kommen. Zwischendurch, und die Frage ist, warum nicht vorher oder nachher, wird noch ein Sonnenschirm mit kleinem Rundtisch vor den beiden kleinen Hockern gebaut.
Mit dem zehnten Bauschritt folgt dann der letzte Akt für den Hausbau, bei dem das letzte Dach und wieder ein paar Verzierungen gebaut werden. Das geht recht schnell vonstatten. Zunächst werden, mit dem obligatorischen Ringanker, die Wände stabilisiert und für die Plates, welche die Decke bilden, vorbereitet. Auf diese werden anschließend die schrägen Seitenwände sowie zwei Torbögen zur Stabilisierung und für die Dachgaube aufgesetzt. Diese gebaut, mit einem Runddach versehen und zuletzt, wie beim mittleren Teil des Hauses, das eigentliche und vorher gefertigte Dach aufgesetzt – fertig. Vorher noch ein paar Verzierungen an den darunter liegenden Fenstern sowie die letzten Aufkleber angebracht und nach rund 10 Stunden ist das Haus selbst fertig – jetzt müssen nur noch mit den Bauabschnitten 11 und 12 die Straßenbahn, die Stromleitungen und das weitere Zubehör gebaut werden.
„Seht, dort rattert sie heran…“
Die somit anbrechenden letzten 90 Minuten des Aufbaus sollten für die meisten Baumeister kein Hindernis darstellen. Zunächst werden bei diesem die beiden Masten gebaut, welche die Oberleitungen für die Straßenbahn führen und die schnell zusammengesteckt sind. Bei den Leitungen fällt jedoch eine Abweichung von den Produktbildern auf der Verpackung auf, denn so werden diese nicht wie abgebildet mit Schläuchen, sondern mittels schwarzem Garn umgesetzt. Das hat erneut Vor- wie Nachteile: So wären Schläuche zwar leichter anzubringen, dürften aber in den meisten Fällen nie vollkommen gerade, sondern immer etwas gewellt sein. Dies ist bei dem verwendeten Garn kein Problem, dafür ist es etwas schwieriger zu befestigen und auf Spannung zu halten.
Anschließend werden noch zwei Laternen sowie zwei Blumenkästen eingefügt und schon ist das Straßenbild soweit fertig – fehlt nur noch die Straßenbahn. Diese wird mit den letzten Bauschritten des 11. Bauabschnittes begonnen und im nächsten zu Ende gebracht. Angefangen wird wie so oft mit dem Chassis, auf dem dann die Karosserie und Verkleidung aufgesetzt werden. Am Anfang wirkt das Konstrukt zwar etwas fragil, aber sobald das Gebaute miteinander verbunden ist, ist auch das Vehikel recht stabil – auch wenn es sich nicht wirklich zum Spielen eignet.
Auffällig ist die erneute unterschiedliche Farbgebung: Während das Gefährt wie im Ursprungsmodell und damit dem Original entsprechend in Gelb gehalten ist, setzt Jie Star auf eine rote Umsetzung. Darüber hinaus sind die beiden gelb-transparenten 1 × 2 Fliesen mit „CS 8912“, bedruckt, was eher an die Modellnummer 89132 erinnert. Eine einfach aufgedruckte „28“ hätte dem Modell sicherlich besser gestanden.
Am Ende muss die Tram einfach nur in die Fahrrinne gesetzt werden und damit ist das Set nach knapp über elf Stunden aufgebaut.
Qualität der Steine
Über die Beschaffenheit der verwendeten Steine kann im Grunde keine Kritik geäußert werden, eher dass es an manchen Stellen vielleicht etwas zu viel des Guten ist. So ist die Klemmkraft bei vielen Steinen sehr hoch, was besonders für Kinderhände problematisch werden könnte. Es stellt sich natürlich berechtigterweise die Frage, wie realistisch es ist, dass ein Kind dieses Set aufbauen würde – aber da das Mindestalter eben mit 8 Jahren angegeben wird, muss auch darauf eingegangen werden.
Die Farbgenauigkeit und Farbgleichheit ist ebenfalls nicht zu beanstanden, die mit den Steinen gebauten Wände zum Beispiel sehen farblich wie eine Fläche aus. Gegenüber den Farben des Marktführers herrscht ebenso weitestgehend Gleichheit, lediglich das verwendete Orange ist gegenüber dem von Lego etwas dunkler, das dunkel Braun dagegen etwas heller.
Die Oberflächenbeschaffenheit fällt ebenfalls gut aus, die eine oder andere Fliese besitzt leichte Schlieren, das war es dann aber schon. Bei den transparenten Teilen sieht es wiederum anders aus: So sind die Fensterscheiben weitestgehend in Ordnung, die Türen weisen dagegen deutlich sichtbare Kratzer auf.
Die Drucke besitzen ebenfalls eine hohe Qualität, gleiches gilt für die Aufkleber, auch wenn, wie bereits erwähnt, die Farbgebung und das Muster nicht jedes Baumeisters Sache sein dürften.
Fazit
Das Modell der Lisbon Tram von Jie Star ist ein sehr schön umgesetztes, aber leider auch ein unlizenziertes Modell des bekannten Originals der portugiesischen Hauptstadt.
Der Aufbau geht einfach von der Hand, womit sich das Set auch für Anfänger eignet, da es einen guten Kompromiss zwischen Anspruch und Bauspaß bietet. Das spiegelt auch die Anleitung wider, welche genügend Hilfestellung bietet, ohne dass das Vorhaben in einem betreuten Bauen endet. Die ständige isometrische Darstellung könnte aber das eine oder andere Mal die Übersicht erschweren.
Die Steinequalität gibt kaum Anlass zur Kritik. Gleiches gilt für die Klemmkraft, auch wenn diese an manchen Stellen sogar etwas geringer hätte ausfallen können. Die Farbgleichheit überzeugt ebenfalls, auch wenn das verwendete Gelb und Braun das des Marktführers nicht zu 100 Prozent getroffen werden. Die Oberflächenbeschaffenheit der Steine fällt ebenfalls gut aus, lediglich die Türscheiben weisen sichtbare Kratzer auf.
Am meisten überzeugt das Modell aber durch seine tollen Bautechniken. Das fängt mit der als Mauer gebauten und dann gelegten Straße an, die dadurch eine wunderschöne Pflastersteinoptik erhält, durch 1 × 2 Brick Modified mit Noppen an den Seiten, durch die das Konstrukt auch Noppen nach oben erhält und auf die die vor dem Gebäude befindlichen Fliesen angebracht werden können, der ausgebaute Tunneldurchgang zwischen den beiden Häusern sowie die Treppe bieten vor allem angehenden MOCern viele Inspirationen für zukünftige eigene Modelle. Auch an andere Kleinigkeiten wurde gedacht: So besitzen die Fahrräder einen um 90° gedrehten Lenker – womit gleich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden könnten: Zum einen werden in dieser Form üblicherweise Fahrräder zu den Händlern geliefert und oftmals auch ausgestellt, was somit eine gewisse Detailtreue bedeutet, auf der anderen Seite dürfte der Hersteller damit eventuell vorhandene Geschmacksmuster umgehen. Auf der anderen Seiten dürften die Fahrräder in dieser Form in einem normalen Stadtbild weniger zum Einsatz kommen.
Aber es gibt auch einige Unterschiede zum Original. So werden bei den Häusern teils andere Farben genutzt, gleiches gilt für die Aufkleber. Ebenso die Straßenbahn ist farblich etwas anders gestaltet, womit diese auch nicht mehr ihrem realen Vorbild entspricht. Die Oberleitungen sind zudem im Set per Schnur und nicht mit Schläuchen umgesetzt. Auch bei den Verzierungen an den Gebäuden selbst oder anderen Elementen wie den Laternen wird teils auf eine andere Gestaltung gesetzt.
Es gibt aber ebenso leichten Anlass zur Kritik: So ist lediglich das Erdgeschoss gefliest und die Einrichtung fällt an manchen Stellen doch etwas dürftig aus. Da das Set für eine Veröffentlichung bei Lego eingereicht wurde, könnte die Umsetzung ganz bewusst in der vorliegenden Form vom Designer gewählt worden sein – da Lego schon lange, wenn überhaupt, nur noch das Erdgeschoss fliest und auch beim Interieur immer kniepiger wird. Zwar besitzen die Räume schöne Kochgelegenheiten oder Gegenstände wie Waschmaschine, Betten oder Kommoden, nicht wenige Modular-Sets anderer Hersteller sind hier aber deutlich spendabler eingerichtet. Dies ist vor allem beim Fahrradgeschäft deutlich zu erkennen. Durch die offene Rückseite erlangt das Set aber wiederum eine hohe Bespielbarkeit, ähnlich einem Puppenhaus. Darüber hinaus handelt es sich bei dem Bauwerk streng genommen gar nicht um ein Modular, da alle Stockwerke fest miteinander verbunden sind.
Dass das Set aufgrund der Vorgaben des dänischen Marktführers auch nicht mit Lizenz erhältlich sein würde, ist für so ein tolles Modell sehr schade, leider kann der Designer auch nicht mit dem Kauf der Bauanleitung unterstützt werden. Sollte das Modell irgendwann doch auf Rebrickable erscheinen, sei der Käufer hiermit angehalten, dann zumindest nachträglich und aus Gründen der Fairness die Anleitung zu erwerben.
Anmerkung zum Review
Die Lisbon Tram wurde Just Bricks freundlicherweise von Die Klemme für diesen Review kostenlos zur Verfügung gestellt. Eine Einflussnahme auf den Artikel fand nicht statt, eine Verpflichtung zur Veröffentlichung bestand ebenfalls nicht.
>> Jie Star – Lisbon Tram (89132) bei „Die Klemme”
Jie Star 89132 – Lisbon Tram im Review – Slideshow
Jie Star 89132 - Lisbon Tram im Review
- sehr schön umgesetztes Modell
- tolle Bautechniken
- hohe Steinequalität
- verständliche Anleitung
- hoher Bauspaß
- unlizenziertes MOC
- nur Erdgeschoss gefliest
- Räume etwas lieblos eingerichtet
2 Kommentare
Andreas
Heute gestohlen, morgen schon bei Jie Star… Aber gut, wer kennt sie nicht die berühmte rote Linie 28 aus Lissabon. Warum dann ausgerechnet die Farbe des wirklich ikonischen und nicht generischen Merkmals des Sets im geklauten Design geändert wird, weiß wohl auch niemand.
Heiko b
Ich finde, dass das hier gezeigten Modell 1 strassenbahn aus Lissabon 1 recht gut gelungenes Modell darstellt mit strassenbahn und gebäude und so
Bei meinen gebäudemodellen sind sie Fußsohlen auch nicht gefliest, was mich aber nicht stört, so kann ich kleinere und grössere Möbel ganz frei im Raum aufstellen und “herumrücken” im ungeliebten Raum
Vielleicht denkt ja der hersteller des Modells, das man in Europa und in Deutschland so etwas ungesehen hingenommen wird oder denkt man etwa, dass wir hier etwas farbenblind sind
Offensichtlich ist Vielleicht nichts und niemand vor dem nachahmen von Produkten sicher, man sieht es ja teilweise auch an den nschbsuten von Autos aller Art aus Europa und dem Rest der Welt
Aber bei 1 Preis von immerhin über 150 Euro wird sich so mancher denken, hier sind Lizenzgebühr an den entwerfer bereits enthalten