Mit der mittlerweile acht Sets umfassende China-Town-Serie hat das chinesische Unternehmen Xingbao auch in hiesigen Gefilden viele Klemmbaustein-Fans für sich gewinnen können. Aus dieser Reihe stammt auch das chinesische Rasthaus, welches zwar ein schönes Modell mit viel Bauspaß darstellt, aber nicht ohne Schattenseiten bleibt.
Der Zusammenbau
Hierzulande wird das Set bei diversen Händlern für rund 100 Euro angeboten, dann jedoch in zwei Varianten: Während das hier gezeigte Set noch alle Minifiguren beinhaltet, werden mittlerweile in den meisten Fällen nur noch Sets verkauft, bei welchen diese entfernt wurden – was auch unter Umständen zugeklebte Bereiche auf der Verpackung und in der Anleitung nach sich zieht.
Dies geht auf einen Rechtsstreit zwischen Lego und dem in der Nähe von Frankfurt ansässigen Händler Bluebrixx zurück, bei welchem der dänische Marktführer per einstweiliger Verfügung gegen den Verkauf diverser Sets mit entsprechenden Figuren vorgegangen ist. Zwar besitzt Xingbao beim Europäischen Patentamt einen eingetragenen Schutz für seine Figuren, laut Lego sind die Exemplare des chinesischen Herstellers den eigenen, auf welche die Dänen einen 3D-Markenschutz besitzen, zu ähnlich und daher die Gefahr einer Verwechslung gegeben sein soll. Um nun Probleme mit Lego und auch dem Zoll bei der Einfuhr zu entgehen, haben sich die Importeure dazu entschlossen, die Minifiguren und alle Verweise auf diese aus den Sets zu entfernen.
Günstiger Teilepreis
Das Set beinhaltet für den angeschlagenen Preis 3.046 Teile, was in einen Teilepreis von 0,03 Cent mündet. Die Steine sind in 60 Tüten verpackt, was wiederum eine große Menge Plastikmüll bedeutet. Um die Übersicht zu verbessern ist der Komplettbau in 9 Abschnitte unterteilt. Leider sind auf nicht allen Tüten die entsprechenden Nummern aufgedruckt, über die ebenfalls angebrachte fortlaufende Nummerierung lassen sich diese jedoch leicht zuordnen.
Beim Leeren der Verpackung fällt jedoch ebenso auf, dass die 32 x 32 Grundplatte sichtbar verbogen ist, ein Problem, mit dem auch andere große Häuser-Modelle wie unter anderem das Maritime Museum zu kämpfen haben. Im Unterschied zu diesem, bei welchem aufgrund der Bebauung am Außenrand sich die Verformungen im Bauverlauf begradigt, wird dies beim chinesischen Rasthaus aufgrund der etwas kleineren Ausmaße nicht der Fall sein – soviel sei bereits verraten.
Zuerst muss der Fliesenleger ran
Im ersten Abschnitt geht es vor allem um das Verlegen der Fliesen, welche neben einer recht überschaubaren Anzahl von Plates die ganze Fläche abseits der Mauern bedecken. Schon bei diesen wird deutlich, dass es sich hierbei um ein älteres Set von Xingbao handelt, denn die Fliesen weisen oftmals deutlich sichtbare Schlieren auf. Große Kratzer konnten jedoch nicht ausgemacht werden. Was jedoch auffällt sind leichte Unregelmäßigkeiten in den Farben, welche später besonders bei den Randfliesen zwischen erster Etage und dem Dach auffallen.
Bereits im zweiten Bauabschnitt fangen die interessanten Bautechniken an, wenn auch zunächst in einem überschaubaren Ausmaß. Von diesen werden dem Baumeister während der Bauphase noch einige „über den Weg laufen“, angefangen vom seitlich gebauten Wandteil im dritten Abschnitt bis hin zu zahlreichen Verzierungen, welche aber auch wegen ihrer Kleinarbeit einige Zeit in Anspruch nehmen werden.
Das Erdgeschoss nimmt mit Treppe und Pferdetränke den größten Platz ein und damit auch die meiste Bauzeit in Anspruch. Dieses beinhaltet neben dem Essraum noch einen Schlafraum und ein weiteres kleines Zimmer. Schön anzuschauen sind auch der Eingangsbereich mit seinen massiven Türen, die Lampen und die kleinen Vordächer, welche bereits einen Vorgeschmack auf das große Hauptdach geben.
Erste Etage könnte stabiler ausfallen
Nach 143 Seiten wird dann mit der ersten Etage begonnen, welche zwei weitere Schlafräume mit je einem Bett trägt. Spätestens beim Aufbau des Außengeländers sowie des bereits beschriebenen Außenrandes an der Decke, auf welchen das Dach aufgesetzt wird, zeigt sich, dass es sich hier um ein Vitrinen- und nicht Spielmodell handelt. Dafür zeigt sich das Rasthaus an zu vielen Stellen recht fragil, auch wenn diese Bereiche mit Leichtigkeit stabiler hätten ausgestaltet werden können.
Die Fertigstellung des Kammergeschosses nimmt aufgrund der geringeren Größe weniger Zeit in Anspruch als des darunter liegenden Bereichs. Das Aufsetzen auf das Erdgeschoss gestaltet sich jedoch nur dann einfach, wenn die darunter liegenden Mauern vollkommen gerade gezogen sind, damit das interessant konstruierte Untergestell des Daches innerhalb dieser gesetzt werden kann. Der aktuelle Stand des Zusammenbaus lässt bereits erahnen, wie imposant das Modell am Ende werden wird. Dieser Eindruck wird durch weitere schöne Verzierungen in Form von Lampen oder anderem Inventar verstärkt.
Feingefühl beim Dach
Beim Dach ist im weiteren Verlauf aufgrund der vielen kleinen Bauteile noch einmal Kleinarbeit gefragt. Das Grundgerüst sorgt für die benötigte Stabilität, ist noch abwechslungsreich zu bauen und besitzt wie die beiden anderen Modellbereiche schöne Verzierungen. Beim darauf angebrachten grünen Dach wird der Bauvorgang jedoch merklich monotoner. Hier wechseln sich die gewellten 1×4- und 1×2-Steine mit runden 1×1-Bricks und Plates in diversen Längen ab. Die runden Plates sind zudem teilweise nur mit hohem Kraftaufwand auf die anderen Steine zu bringen, was dafür sorgen kann, dass die bereits zusammengesetzten Teile aufbrechen und sich Teile des Daches über den Bautisch verteilen.
Ist diese Klippe aber erst einmal umschifft, präsentiert sich dem Bauherrn eine ebenfalls schön anzusehende Dachkonstruktion, die sich nach insgesamt acht Stunden Bauzeit deutlich leichter auf die darunter liegende Etage aufsetzen lässt. Wer das Glück hat, noch eine Variante mit Minifiguren ergattert zu haben, kann dann noch diese samt Pferd zusammenbauen.
Qualität der Steine
Abseits der bereits genannten Farbprobleme und Schlieren gibt es nicht nur negatives über die gelieferten Steine zu schreiben. So ist die Klemmkraft über jeden Zweifel erhaben, auch die Ausrichtung, besonders an den Mauern zu beobachten, ist gut. Ein Problem besitzt der Hersteller jedoch mit den Gusspunkten an den Bausteinen, welche nicht selten an ungünstigen Stellen sitzen und nicht immer kaschiert werden können – auch das fällt bei neueren Sets weniger auf. Darüber hinaus weisen nicht wenige Steine deutlich sichtbare Kratzer auf.
Positiv ist zu vermerken, dass das Set lediglich einen Aufkleber, dafür aber 30 Prints aufweist.
Die Anleitung
Die Bauanleitung ist sehr verständlich aufgebaut, im Gegensatz zu Lego werden jedoch deutlich mehr Teile pro Bauabschnitt hinzugefügt – anders könnten die über 3.000 Teile nicht in den 200 Seiten verbaut werden. Könnte es einmal zu Orientierungsproblemen kommen, helfen dem Baumeister rote und blaue Pfeile die jeweiligen Steine an die richtige Stelle zu setzen. Im Gegensatz zu anderen Herstellern sind alle Teile in der Anleitung farbig dargestellt.
Xingbao scheint jedoch im Laufe der Zeit die Steine, oder eher deren Farbe, gewechselt zu haben, ohne die Anleitung anzupassen. Anders kann es nicht erklärt werden, dass teilweise andere Farben als in den einzelnen Abschnitten angegeben verbaut werden. So dürften Steinebauer in den Teilen nach dunkelroten Steinen statt der eigentlich gemeinten hellbraunen Vertreter suchen, gleiches gilt für die dunkelbraunen und dunkelgrünen Einheiten, welche in der Anleitung eher nach schwarzen Teilen aussehen. Dies kann zu langen Suchphasen mit dem Gefühl führen, dass doch ein paar Bausteine fehlen.
Positiv ist dagegen anzumerken, dass an vielen Stellen die Größen der benötigten Steine in der Teileauswahl angezeigt wird, was das Finden der richtigen Teile vereinfacht.
Fazit
Das Roadhouse zeigt deutlich, warum die China-Town-Reihe von Xingbao bei Freunden alternativer Klemmbausteine so hoch im Kurs steht: Es gibt für knapp 100 Euro über acht Stunden Bauspaß samt interessanten Bautechniken. Am Ende erwartet den Baumeister ein imposantes Vitrinenmodell, welches sich jedoch aufgrund seiner Fragilität nicht zum Bespielen eignet. Der Weg dahin verläuft vielschichtig: Mal wird der Zusammenbau zur Geduldsprobe, vor allem wenn Steine nur schwer klemmen und man durch zu viel Druck einen Teil des bereits Gebauten wieder abreißt, mal herrscht eine gewisse Monotonie vor – positiv auch als meditatives Bauen umschrieben.
Die gebotenen Teile dagegen hinterlassen einen gemischten Eindruck. Hier wird deutlich, dass es sich bei dem chinesischen Rasthaus um eines der älteren Sets von Xingbao handelt und das Unternehmen hier mit den typischen Problemen zu kämpfen hat, welche viele neue Hersteller von Klemmbausteinen zunächst ereilt: Unter anderem weisen die Steine sichtbare Kratzer auf, auch wenn diese nicht so gravierend ausfallen wie es beim Cargo Transporttruck SD107009 von Sembo der Fall ist. Auch bei der Gleichmäßigkeit der Farben gab es zu dem Zeitpunkt deutliches Verbesserungspotenzial, denn bei verschiedenartigen Teilen weichen die Farbtöne sichtbar voneinander ab.
Wer bereits eines der neueren Modelle von Xingbao gebaut hat weiß, dass die genannten Probleme mittlerweile gut in den Griff bekommen wurden und die Qualität im Großen und Ganzen stimmt. Gleiches gilt für die Klemmkraft, welche sehr gut ausfällt. Lediglich der Umstand der verbogenen Grundplatten begegnet einem auch heute noch teilweise. Aus den beschriebenen Gründen eignet sich das Modell nur bedingt als Teilespender.
Dennoch kann beim chinesischen Rasthaus bedenkenlos zugegriffen werden, die genannten Negativpunkte fallen in einer Vitrine – wenn überhaupt – nur gering auf. Lediglich die Grundplatte sollte in diesem Fall eventuell ausgetauscht werden, es kann aber auch sein, dass dieser Fehler in anderen oder neueren Sets nicht mehr vorkommt.
Gerade in Kombination mit den restlichen Modellen der Reihe ergibt dieses einen schön anzusehenden Straßenzug, der noch durch zahlreiche Eigenbauten ergänzt werden kann. Lediglich bei den Minifiguren muss man unter Umständen auf Exemplare der eigenen Sammlung zurückgreifen, je nachdem ob man noch ein Set mit Figuren ergattern kann.
Slideshow
Xingbao XB-01022 China Roadhouse im Review
- schön anzusehendes Modell
- großer Bauspaß
- viele schöne kleine Details und Verzierungen
- gutes Preis-Leistungsverhältnis
- viele Teile
- interessante Bautechniken
- langer Bauspaß
- 30 Prints und nur ein Aufkleber
- gut verständliche Bauanleitung
- viele Bausteine mit deutlich sichtbaren Kratzern
- Farbgenauigkeit innerhalb verschiedener Teile nicht immer gegeben
- Grundplatte verbogen
- angegebene Farben in der Anleitung stimmen nicht immer mit den realen Teilefarben überein