Das Gericht der Europäischen Union in Luxemburg hat dieser Tage rund um den Antrag auf Nichtigerklärung der 3D-Unionsmarke der Minifigur von Lego seitens BlueBrixx ein Urteil gesprochen, das vor allem für die alternativen Hersteller als wegweisend betrachtet werden darf – und Lego ganz und gar nicht schmecken dürfte.
In der Vergangenheit gab es bereits mehrere Versuche verschiedener Hersteller, um Lego den 3D-Markenschutz für seine Mini-Figur zu entziehen und damit löschen zu lassen. Zuletzt wurde dies zwischen 2013 und 2016 vom Hersteller Best-Lock verfolgt, allerdings ohne Erfolg. Bessere Chancen rechnete sich BlueBrixx aus, da verschiedene aktuelle Entscheidungen im Zusammenhang mit anderen Spielzeugen, in den Augen des Unternehmens, einen erneuten Löschungsantrag rechtfertigen würden und reichte diesen ein. Am 25. Juni 2021 wies die Nichtigkeitsabteilung den Antrag jedoch in vollem Umfang zurück. BlueBrixx legte darauf hin am 3. August 2021 eine Beschwerde gegen die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung ein, die jedoch im März 2022 ebenfalls vollumfänglich zurückgewiesen wurde. Nach Ansicht des Amtes der Europäischen Union für geistiges Eigentum konnte das Flörsheimer Unternehmen in beiden Fällen nicht hinreichend darlegen, dass die Marke ausschließlich aus einer Form besteht, die durch die Art der Ware bedingt ist – also nur in der bekannten und geschützten Form hergestellt oder dargestellt werden kann.
Gewisse Aspekte in der Vergangenheit von Gerichten nicht berücksichtigt
Dabei ist wichtig zu beachten, dass der Löschungsantrag für die Eintragung in allen drei eingetragenen Klassen (Klasse 9: Dekorative Magnete; Computerspiele; Herunterladbare Computerspiele: Bespielte Daten- und Informationsträger, Klasse 25: Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen sowie Klasse 28: Spiele, Spielzeug) gestellt wurde. Die von BlueBrixx vorgebrachten Argumente bezogen sich jedoch nur auf die Klasse 28.
Wir erinnern uns: Im August 2022 ging es zwischen Lego und Steingemachtes teils um die gleichen Fragen, wobei das Gericht damals sowohl die Mini-Figur von Lego wie auch die im Mittelpunkt der Auseinandersetzung stehenden Exemplare von Qman, Linoos und Cogo lediglich als Spielfiguren und nicht als Klemmbausteinfiguren angesehen hatte. Aspekte wie Aufnoppbarkeit, bei der im Grunde die Funktion die Form in gewissen Grenzen vorgibt, spielten für das Landgericht Düsseldorf seinerzeit keine große Rolle. Auch das EUIPO und seine Beschwerdekammer kamen im vorliegenden Fall zu einer ähnlichen Einschätzung.
BlueBrixx zieht vor das EuG
Da BlueBrixx auch diese Entscheidung des EUIPO nicht akzeptieren wollte, hat das Unternehmen die Behörde vor dem Gericht der Europäischen Union verklagt, das sich nun mit der Frage beschäftigen musste, ob die Entscheidung der beiden Instanzen richtig war. Bereits vor rund einer Woche ist hier eine Entscheidung ergangen, deren schriftliche Begründung nun vorliegt. In dem Verfahren, bei dem Lego als sogenannte „Streithelferin“ aufgetreten ist, folgte das Gericht zwar weitgehend der Argumentation des EUIPO, kam aber ebenso zu einigen Grundsatzentscheidungen, mit denen Lego nicht glücklich sein dürfte: So wurde nun erstmalig gerichtlich Merkmale festgestellt, die die Minifigur von Lego genau ausmachen.
BlueBrixx wiederholte in den Verfahren nicht nur die Forderung, die 3D-Marke der Mini-Figur von Lego zu löschen, sondern vertrat dabei die Auffassung, dass die Marke nie hätte eingetragen werden dürfen. In der Klageschrift hatte sich das Unternehmen darauf berufen, „dass die angegriffene Marke ausschließlich aus einer Form bestehe, die durch die Art der Ware selbst bedingt sei, und zum anderen, dass die Marke ausschließlich aus einer Form bestehe, die zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich sei“. Zumindest für die Klassen 9 und 25 lehnte auch das Gericht den Antrag umgehend ab, da es in diesen Bereichen keine Notwendigkeit für eine mit der Lego-Figur identische Gestaltung erkennen konnte und einen ausreichenden Gestaltungsspielraum sah. Aus diesem Grund und auch, weil BlueBrixx nach Ansicht des Gerichts keine nachvollziehbaren Gründe für eine Löschung vorbringen konnte, wurde die Klage für diese beiden Klassen als unzulässig abgewiesen.
Von vielen unerwartetes Urteil
Deutlich differenzierter ging das Europäische Gericht jedoch in Bezug auf die Klasse 28 vor. So bestätigten die Richter der sechsten Kammer zwar, dass die Beschwerdekammer in der angefochtenen Entscheidung zu Recht davon ausgegangen ist, „dass die fragliche Figur eine Spielzeugfigur der Kategorie ‚Spiele und Spielzeug‘ der Klasse 28 ist“, merkten aber gleichzeitig an, dass es festzustellen gilt, „dass die fragliche Figur auch eine „Klemmbausteinfigur“ darstellt, die mit dem Bausteinsystem der Streithelferin kompatibel ist und zu einer Warenuntergattung der ‚Spiele und Spielzeug‘ der Klasse 28 gehört“. Damit wurde erstmals höchstgerichtlich festgestellt, dass es sich bei der Mini-Figur um eine Klemmbausteinfigur und nicht nur um eine Spielfigur handelt – das hatte die Beschwerdekammer des EUIPO in ihrer Begründung noch verneint. Damit grenzt sich das EuG deutlich von der Beurteilung der Behörde ab und bescheinigt ihr in der Urteilsbegründung sogar einen Beurteilungsfehler, da sie die Mini-Figur auch unter dem Aspekt einer Klemmbausteinfigur hätte prüfen müssen.
Weiter stellte das Gericht fest, dass es bei der Gestaltung einer Mini-Figur durchaus Freiräume in der Gestaltung gibt und widerspricht damit der Auffassung von BlueBrixx. So würden Aspekte wie der fassartige Kopf, die kurze und eckige Form des Halses, die trapezförmige, flache und eckige Form des Körpers sowie für die besondere Form der Arme mit den Händen und der Beine mit den Füßen als Merkmale der Lego-Figur dienen. Trotz der technischen Bedingtheit, sieht das Gericht für diese Merkmale einen gewissen Spielraum bei der Gestaltung. Damit sprachen die Richter der Marke von Lego durchaus, aber mit Einschränkungen, ihre Berechtigung zu.
Gleichzeitig weist das EuG darauf hin, dass es sich bei der angegriffenen Marke bezüglich der Klasse 28 auch um eine Klemmbausteinfigur handelt, „deren technische Wirkung auch in ihrer Verbaubarkeit und Modularität liegt“ und damit auch in der Eignung, mit anderen Baukastensystemen verbaut werden zu können – was den Gestaltungsspielraum wiederum deutlich einschränkt. Weiter wird ausgeführt, dass es durchaus Merkmale gibt, die eine Klemmbausteinfigur ausmachen und damit gewisse Abgrenzungskriterien zu normalen Spielfiguren bestehen. So gibt das EuG in seiner Urteilsbegründung diesbezüglich aus:
„Somit ist festzuhalten, dass die Noppe auf dem Kopf, die Greifhände sowie die Löcher in den Rückseiten der Beine und unter den Füßen der fraglichen Figur in Anbetracht ihres Wesens als „Klemmbausteinfigur“ und ihrer technischen Funktionalität – Verbaubarkeit und Modularität – wesentliche Merkmale der angegriffenen Marke darstellen. Diese Merkmale erweisen sich als für die Kompatibilität der Figur und ihre Eignung, mit anderen Waren zusammengebaut zu werden, als wichtig.“
An dieser Stelle dürften die Lego-Vertreter im Gerichtssaal innerlich zusammengezuckt sein, denn mit diesem Punkt haben die Richter wesentliche Merkmale der Mini-Figur beschrieben, die das Unternehmen bisher lieber unter Verschluss gehalten hätte. Darüber hinaus kritisiert das EuG erneut die Entscheidung des EUIPO, da es seiner Meinung nach die oben genannten Punkte nicht ausreichend berücksichtigt hat. Dies bedeutet im Grunde nichts anderes, als dass diese Punkte technischer Natur sind und nicht zur Beurteilung einer Marke herangezogen werden dürfen.
Bestätigt wurde vom EUIPO hingegen eine andere Entscheidung, die das Gericht nochmals hervorhob: So gebe die Marke Lego nicht das Recht, anderen Herstellern den Vertrieb von Klemmbausteinfiguren zu verbieten, die zwar technisch mit dem System kompatibel sind, aber eine äußerlich abweichende Gestaltung als die eingetragene Marke aufweisen. Darüber hinaus dürfe die „mögliche Kompatibilität einer Spielzeugfigur mit irgendwelchen Bausteinsystemen“ „sowieso im Sinne des Markenrechts nicht monopolisiert werden“
Besonders für Lego unerfreulich
Dieses Urteil dürfte besonders für Lego von besonderer Tragweite sein, da es dem Unternehmen es in Zukunft deutlich erschweren dürfte, gegen etwaige Figuren anderer Hersteller vorzugehen. Mit diesem wurde nun zum ersten Mal gerichtlich definiert, was die Mini-Figur von Lego ausmacht und auf der anderen Seite die Kriterien genannt, die für diese eben nicht typisch, sondern Gattungstypisch für eine Klemmbausteinfigur sind. Und darauf können sich Hersteller künftig berufen.
Auch Thorsten Klahold sieht das Urteil als enorm wichtig für die alternativen Hersteller an. In seinem gestern veröffentlichten Video zeigt er sich davon überzeugt, dass Lego nun noch weniger Handhabe gegen seine eigene, unter der Marke Kiddicraft veröffentlichte Figur besitzt – die sich in den genannten Punkten, welche laut dem EuG die Figur des dänischen Marktführers ausmacht, deutlich und sichtbar unterscheidet. Damit herrscht seiner Meinung nach endlich eine gewisse Rechtssicherheit in diesem Bereich.