Mit dem Balisong Small Supercar will der chinesische Hersteller XingBao mit einem weiteren Set im Technic-Segment Modellbauer für seine Produkte begeistern. Das Modell besticht durch seinen Bauspaß, seiner Originalität und vor allem durch seinen Preis. Dennoch gibt es an vielen Stellen Verbesserungspotenzial.
Viele Teile für wenig Geld
Das Set beherbergt 1177 Teile und ist bei diversen Händlern für um die 50 Euro gelistet. Wie von XingBao gewohnt ist die Verpackung sehr Aufwendig mit gedrucktem Relief gestaltet, womit sich das Set bereits vom äußeren Erscheinungsbild deutlich von seinen Mitbewerbern abhebt. Einmal den Deckel geöffnet gibt dieser zunächst den Blick auf die Bauanleitung und anschließend auf 25 einzelne Tüten frei, welche 5 Bauabschnitte zusammenfassen. Dennoch scheint sich das Thema Müllreduzierung noch nicht zum Hersteller durchgeschwiegen zu haben.
Übersichtliche, aber an manchen Stellen fordernde Bauanleitung
Die Anleitung ist komplett in Farbe gehalten, was somit auch für die bereits verbauten Teile gilt. Dies ist eine gute Wahl, denn die Vorgehensweise anderer Hersteller, nur neu hinzukommende Teile farbig darzustellen und den Rest auszugrauen, würde gerade bei den vielen zu verbauenden schwarzen Teilen die Orientierung noch mehr erschweren als es ohnehin schon der Fall ist.
Die einzelnen Bauteile besitzen, soviel sei bereits vorweggenommen, wie von XingBao gewohnt eine sehr gute Qualität, die es in weiten Teilen durchaus mit dem dänischen Marktführer aufnehmen kann. Die Steine weisen keine scharfen Kanten oder Grate auf, die Klemm- beziehungsweise Steckkraft ist ebenfalls gut – und manchmal auch ein wenig zu viel des Guten. So kann es während des Bauvorganges durchaus passieren, dass sich falsch verbaute Teile nur schwer wieder lösen lassen. Es hat den Eindruck, das XingBao im wahrsten Sinne des Wortes für die Ewigkeit bauen will.
Bekannter Designer und zu optimistische Altersempfehlung
Das vom US-amerikanischen Designer Paul J. Boratko III, welcher sich bereits für das XB-07003 2015 Assassin X19 verantwortlich zeigte, entwickelte Modell ist laut Verpackung für Kinder ab sieben Jahren geeignet, was definitiv zu früh ist. Selbst zwölfjährige könnten teilweise mit dem Verständnis der Anleitung überfordert sein, denn der Zusammenbau des Modells gestaltet sich sehr anspruchsvoll. Mit 16 Jahren wäre man mehr auf der sicheren Seite gewesen, knapp darunter dürften Kinder aber ebenfalls keine Probleme mehr besitzen.
Der Aufbau des Modells ist grob in fünf Bereiche unterteilt: Zunächst wird in Abschnitt eins der Motor sowie ein Teil des Chassis gebaut, während im zweiten Abschnitt die Lenkung folgt. Abschnitt drei und vier bringen dann den Unterbau und Teile der Karosserie mit sich, bevor mit Abschnitt fünf und der Heckpartie samt Flügeltüren das Modell schließlich fertiggestellt wird.
Anspruchsvolle Bautechniken
Bereits der V12-Motor offeriert einige interessante Bautechniken, welche darauf schließen lassen, wie anspruchsvoll sich der Zusammenbau des Autos gestalten wird. So können die Zylinder nur in einer bestimmten Ausrichtung des Motors eingebaut werden, wird diese beim Einbau der zweiten Reihe zu sehr geändert, können die bereits eingesetzten Zylinder leicht wieder herausfallen.
Nach rund 45 Minuten dürfte das Antriebsaggregat fertiggestellt sein. Mit dem zweiten Bauabschnitt wird es dann in Sachen Bauanleitung noch einmal schwieriger. So fällt oftmals die Orientierung schwerer, wenn in einem Abschnitt ausschließlich schwarze Teile verbaut werden. Zudem muss an vielen Stellen sehr darauf geachtet werden, welche Teile verbaut werden – nicht selten gleichen sich die Steine auf den ersten Blick und unterscheiden sich wiederum oftmals nur in einem kleinen und leicht zu übersehenden Detail.
Hinzu kommt, dass oftmals eine große Anzahl von Teilen in einem Schritt verbaut werden, die sich aber nicht direkt in der Anleitung – auch hier meist wieder bei den schwarzen Teilen – erkennen lassen. Aus den gleichen Gründen kann manchmal auch nur erahnt werden, welche Teile an welchen Stellen vorgesehen sind. Das liegt unter anderem auch daran, dass die roten Pfeile, welche öfters auf neue Teile und deren Position im Modell hinweisen, ebenfalls nur schwer zu erkennen sind, besonders dann, wenn sich diese über zwei Seiten erstrecken.
Ähnliche Fehler wie beim Marktführer
Des Weiteren zeigt sich beim Modell schnell, dass XingBao die gleichen Fehler unterlaufen wie LEGO, indem der Lenkung nur ein recht kleiner Einschlagwinkel zugestattet wird. Dafür besitzt das Modell eine Hand-of-God-Steuerung, welche in der Motorabdeckung im Heck kaum sichtbar ist und das Auto gut steuert.
Teilequalität noch nicht beim Maximum angekommen
An manchen Stellen wird aber ebenso deutlich, dass die Hersteller alternativer Klemmbausteine in einigen Bereichen der Teilequalität noch nicht komplett zum Marktführer aufgeschlossen haben. Beim hiesigen Modell zeigt sich dies durch ein deutlich schwergängigeres Differenzialgetriebe, welches bei LEGO deutlich „geschmierter“ läuft.
Nach knapp drei Stunden sind die Abschnitte zwei und drei ebenso fertiggestellt und das Auto nimmt mit den eingebauten Sitzen und dem Armaturenbrett bereits erste Formen an.
Widerspenstige Bauteile
Abschnitt vier fällt ebenfalls durch interessante Baulösungen auf, welche unter anderem an den seitlichen Lufteinlässen des Motorraumes zu erkennen sind. Etwas frickeliger geht es bei der Motorhaube zu, oder besser bei den Konturen selbiger: Diese wurden, ähnlich einiger Technic-Modelle von LEGO mit flexiblen Gummiteilen gelöst, welche sich jedoch nicht genauso verformen und anpassen wie es die Anleitung und die auf der Verpackung abgebildeten Produktbilder zeigen. Hier muss erneut Geduld an den Tag gelegt werden, bis alles in die richtige Form gebracht wurde.
In den Abschnitten vier und fünf macht XingBao dann aus der Not eine Tugend: Wie viele andere schafft es auch der Hersteller nicht, wirklich klar transparente Bauteile zu fertigen– in diesem Fall in den Front- und Rückleuchten zu erkennen. Auch im vorliegenden Modell fallen diese etwas milchiger als bei LEGO gewohnt aus. Im Gegenteil zu vielen anderen Modellen passt dies wunderbar zum gebauten Sportauto – denn in der Realität sind Scheinwerferabdeckungen ebenfalls selten wirklich so durchsichtig wie reines Glas. Somit verleiht dieser Umstand, wenn auch vielleicht etwas ungewollt, dem Modell ein realistischeres Aussehen.
Mit den Flügeltüren zum Ende
Daneben geht es im letzten Bauabschnitt an die Flügeltüren, welche ebenfalls interessant umgesetzt wurden. Zu Anfang schleicht sich zwar zunächst das Gefühl ein, dass aufgrund des nicht mit dem Dach bündigen Schließen beim Zusammenbau etwas schiefgelaufen ist, doch dieser Umstand gibt sich, wenn die seitlichen Führungsstäbe zur Fixierung verbunden werden – dann schließen auch die Türen richtig. Das Heck zeigt darüber hinaus, wie verschwenderisch XingBao teilweise mit der Teileanzahl umgeht und wie massiv dadurch ihre Modelle gebaut werden können.
Obacht ist auch bei den Reifen angesagt, welche sich nur in eine Richtung auf die Felgen ziehen lassen. Zudem kommt es bei deren Anbringung zu kleinen Unterschieden zwischen der Bauanleitung und dem realen Modell: Der Bauherr muss sich hier entscheiden, ob es sich bei diesem am Ende um ein Ausstellungs- oder Spielmodell handeln soll. Werden die Felgen nämlich wie in der Bauanleitung vorgegeben auf die Achsen gezogen, stehen diese soweit nach außen, dass ein Lenken kaum noch möglich ist ohne den Radkasten zu berühren. Werden sie dagegen ein wenig reingedrückt, verbessert sich der Einschlagwinkel, dafür stehen die Achsen aber über.
Fast 9 Stunden Bauspaß
Nach 520 Minuten steht dann ein 32 Zentimeter langes, 15 Zentimeter breites und rund 9 Zentimeter hohes und vor allem massives, aber auch formschönes Modell vor dem Baumeister.
Das fertige Modell
Trotz der kleinen Schwächen könnte der XB-07002 das Modell sein, auf das viele Technicfans bei LEGO warten. Zwar beherbergt dieses keine ausgefallenen technischen Lösungen, es gibt somit keine Gangschaltung, keine Einzelradaufhängung, keinen Allradantrieb oder ähnliche Spielereien, dafür bietet das Modell für gerade einmal 50 Euro rund neun Stunden anspruchsvollen Bauspaß, interessante Bautechniken und am Ende ein schönes anzusehendes Auto. Dennoch eignet sich das Modell allein wegen des relativ großen Wendekreis nur mäßig zum Spielen, Kinder in dem dafür typischen Alter dürften das Modell zudem – zumindest nicht alleine – nur schwer aufgebaut bekommen.
Zu viele Farbtupfer
Zudem unterlaufen XingBao bei der farblichen Gestaltung ähnliche Fehler wie LEGO. So werden einheitliche Farben immer wieder durch andersfarbige Pins und Achsen versehen, was weniger für ein harmonisches Äußeres sorgt. So hätte XingBao unter anderem in den Türen statt der blauen ins und roten Achsen auf die schwarzen Varianten setzen können – auch wenn dies das Erkennen in der Bauanleitung etwas schwerer gemacht hätte.
Trotz der Kritikpunkte könnte das Modell für erwachsene Baumeister eine interessante Alternative darstellen, welche sich aktuell beim dänischen Marktführer weniger gut aufgehoben fühlen. Für eine ähnliche Teilezahl müssten beim dänischen Marktführer rund 100 Euro UVP über die Ladentheke wandern, zudem wäre das Modell aufgrund der Zielgruppe deutlich einfacher gehalten und in vielen Bereichen nicht wirklich eine Herausforderung. So kommt das Rallyeauto von LEGO (42077) mit 1005 Bauteilen zwar auf eine ähnliche Teilezahl und ist mit einer Länge von 42 Zentimetern zudem größer, ist für 99,99 Euro UVP aber auch deutlich teurer.
XingBao XB-07002 Balisong Small Supercar im Review
Das XB-07002 Balisong Small Supercar von XingBao wurde für den Review freundlicherweise kostenlos von steingemachtes.de zur Verfügung gestellt. Eine Einflussnahme auf den Testbericht fand nicht statt, eine Verpflichtung zur Veröffentlichung bestand ebenfalls nicht.