Die Big Boy von Jie Star stellt eine interessante Abbildung des bekannten Originals dar, deren Zuneigung sich jedoch zunächst in Form von viel Geduld verdient werden muss. Darüber hinaus ist das Ungetüm aufgrund seiner Größe in einigen Bereichen ersichtlich limitiert.
Das Original
Die als „Big Boy“ bekannte Klasse 4000 der Union Pacific Railroad (UP) stellte in ihrer Zeit nicht nur die größte und leistungsfähigste Dampflokomotivbaureihe der UP dar, sondern war gleichzeitig eine der größten und leistungsfähigsten Vertreterinnen ihrer Zunft weltweit. Gerade für den Eisenbahnbetrieb im US-amerikanischen Teil der Rocky Mountains, mit seinen hohen Steigungen von teilweise 15,5 Prozent, musste die hauptsächlich im Güterbereich agierende und bis heute noch eine der beiden großen Class-1-Eisenbahngesellschaften im Westen der Vereinigten Staaten darstellende UP lange Zeit auf Vorspann- und Schiebelokomotiven setzen, was personal- und damit auch kostenintensiv war. Daher war das Unternehmen auf der Suche nach einer Zugmaschine, um die Züge mit 3600 Short Ton (etwa 3300 t) ohne weitere Hilfe über die gesamte Strecke von Cheyenne (Wyoming) und Ogden (Utah) ohne Lokwechsel zurücklegen zu können.
Entworfen wurde diese wie auch die teilweise noch parallel gebaute Vorgängerbaureihe 3900 vom deutschstämmigen Otto Jabelmann. Dieser sah die geforderten Rahmenbedienungen, welche nicht zuletzt auch aufgrund der kurvigen Strecke hervorgerufen wurden, nur durch eine Gelenklokomotive mit der Achsfolge „(2’D)D2’ h4“, auch als „4-8-8-4“ oder „ooOOOO OOOOoo“ dargestellt, als realisierbar an. Zwischen 1941 und 1944 wurden schließlich 25 Exemplare der Baureihe 4000 von der American Locomotive Company (ALCo) produziert.
Massives Ungetüm
Die angegebene Achsfolge bedeutet im Grunde, dass von vorne nach hinten gesehen die insgesamt 12 Achsen in jeweils zwei Drehgestellen zu je 6 Achsen aufgeteilt waren, deren jeweils vorlaufenden und nachlaufenden zwei Achsen in einem gemeinsamen Gestell zusätzlich jeweils drehend gelagert sind. Die 8 Achsen in der Mitte wurden dabei, jeweils in zwei Viererblöcken untereinander gekuppelt, direkt angetrieben, lediglich die beiden vor- und nachlaufenden Achsen stellten Laufachsen dar. Die 4000er Klasse stellt die bis heute einzige Lokomotive dar, welche mit dieser Achsfolge gebaut wurde.
Die Big Boy war von ihren Daten her immer vorne mit dabei: So stellt diese mit einer Länge von 40,5 m eine der längsten jemals gebauten Zugmaschinen dar, gleiches gilt für Masse von 548,3 t (mit Tender) und die Dauerleistung von 6.290 PS (4.630 kW) bei 48 km/h (30 mph). Die zugelassene Höchstgeschwindigkeit betrug 110 km/h (70 mph), technisch war die Big Boy sogar für eine Geschwindigkeit von 128 km/h (80 mph) ausgelegt. Dabei wurden, abhängig von der jeweiligen Geschwindigkeit, zwischen 8 und 10 t Steinkohle pro Stunde zum Heizen des Kessels verbraucht. Bei einem Kohlevorrat von 25,4 t im Tender konnte die Zugmaschine somit zwischen 250 und 300 km zurücklegen, bevor dieser wieder aufgefüllt werden müsste.
Langsames Ausmusterung
Bis 1957 waren alle gebauten Exemplare der 4000er Reihe im täglichen Dienst. Ab 1959 sank die Anzahl der genutzten Maschinen auf 10 und auch die Länge der Strecke reduzierte sich. Im westlichen und anspruchsvolleren Streckenabschnitt über die Wasatch Mountains, zwischen Ogden und Green River, übernahmen bereits Gasturbinenlokomotiven der Union Pacific Railroad den Transport. Lediglich auf den restlichen 120 km der Strecke kam die Big Boy nun noch zum Einsatz. Die Lokomotive 4015 bespannte schließlich am 21. Juli 1959 letztmalig einen planmäßig verkehrenden Zug, wenige andere Exemplare wurden noch bis Sommer 1961 gelegentlich als Dieselersatz im Güterzugdienst eingesetzt. Darüber hinaus behielt sich die Eisenbahngesellschaft bis zum September 1962 vier Exemplare der Big Boy als betriebsfähige Reserve in ihrem Hauptquartier in Cheyenne vor. Insgesamt soll jede der gebauten Lokomotiven in ihrem Dienstleben eine Strecke von mehr als 1,6 Millionen Kilometern zurückgelegt haben.
Nur noch wenige erhaltene Exemplare
Bis heute sind nur noch 8, der seinerzeit 25 im Einsatz befindlichen Zugmaschinen, erhalten geblieben. Mit der Nummer 4014 ist jedoch lediglich eine davon bis zum aktuellen Zeitpunkt noch betriebsbereit. Diese wurde zudem in der Zwischenzeit auf Ölfeuerung umgerüstet und befindet sich somit nicht mehr im Originalzustand.
Bei der im vorliegenden Modell umgesetzten Lokomotive handelt es sich, wie später am Aufdruck an der Front zu erkennen sein wird, um die Nummer 4023. Diese wird aktuell im Kenefick Park, Omaha (Nebraska) ausgestellt.
Das Modell
Das Modell der UP 4000 „Big Boy“ wird aus 1.608 einzelnen Teilen zusammengesetzt und ist hierzulande für rund 125 Euro erhältlich. Um es direkt vorwegzunehmen: Das Modell ist nicht motorisiert und es wird sich im Laufe des Bauvorganges zeigen, ob dieses überhaupt in der Lage ist, die im Verhältnis doch immer noch engen Kurven überhaupt bewältigen zu können.
Die einzelnen Teile sind im Inneren der Verpackung über zwei Kartonschuber verteilt, welche drei große Tüten beherbergen, die wiederum in weiteren Tüten Material für jeweils zwei Bauabschnitte bereithalten. Darüber hinaus finden sich noch lose ein paar Platten, Schläuche und gerade Schienen in dem Inhalt. Das zeigt, dass das Modell zumindest die normale Spurbreite für die gebräuchlichen Gleise in der Klemmbausteinwelt besitzt.
Unter den ganzen Tüten findet sich in der ersten „Schublade“ die Bauanleitung, die leicht gewellt, aber ansonsten vollkommen unbeschädigt war. In dieser ist gut geschützt zudem ein Bogen mit vier Aufklebern untergebracht, womit keine Sticker-Flut über den Baumeister hereinbricht.
MOC oder nicht MOC?
Darüber, ob es sich bei dem Modell um eine Eigenkonstruktion von Jie Star oder einen nicht lizenzierten MOC handelt, gehen die Meinungen in der Community auseinander. An manchen Stellen wird immer wieder das MOC von Scott Mills genannt, welcher die Anleitung zu seinem Modell sowohl auf YouTube wie auch auf Brickshelf anbietet. Bei näherer Betrachtung fallen auf der einen Seite bereits von außen erkennbare Unterschiede auf, wie unter anderem die Fenster und andere Stellen am Führerhaus, die Seitenverkleidung oder die Front an den vorlaufenden Achsen. Auf der anderen Seite wird der Rumpf mit den Antriebssträngen und der Vorbereitung für die nicht im Set enthaltenen Motoren ähnlich der genannten Anleitung gebaut. Es kann also gut möglich sein, dass sich Jie Star sich von der kostenlos erhältlichen Vorgabe hat „inspirieren“ lassen.
Jie Star gibt das Mindestalter, wie für chinesische Hersteller meist üblich, mit sechs Jahren an, welches aufgrund der Komplexität des Modells auch in diesem Fall deutlich zu niedrig angesetzt ist. Für einen alleinigen Aufbau sollte der Baumeister-Nachwuchs dann doch schon mindestens zwölf Jahre alt sein. Ansonsten verhält es sich wie bei einem Gang ins Kino: Ist ein Erwachsener dabei, darf das Alter auch etwas geringer sein.
Die Anleitung
Die Bauanleitung ist im Querformat gehalten und besitzt in etwa die Größe eines DIN-A4-Blattes. Die 193 Hauptbauschritte plus mehrere Zwischenschritte bringt der Hersteller übersichtlich und in guter Druckqualität auf 70 Seiten unter. Dabei werden in den meisten Fällen bis zu vier Bauanweisungen pro Doppelseite angezeigt, an manchen Stellen können es aber auch mal deren zehn sein.
Auch beim Aufbau der Big Boy setzt Jie Star in Sachen der Darstellung, wie viele andere alternative Hersteller ebenfalls, auf das Prinzip der Reduktion. Dadurch werden lediglich neue Teile in ihren eigentlichen Farben dargestellt, bereits Verbautes wird nur abgeschwächt angezeigt – im vorliegenden Fall durch ein helles Blau-Grau. Diese Art der Darstellung besitzt sowohl Vor- wie auch Nachteile: So liegt der Fokus auf den neuen Teilen und damit immer auf dem Wichtigen. Auf der anderen Seite könnten verschiedene Farben beim bisher gebauten Modell unter Umständen für mehr Orientierung sorgen.
Alle Bauschritte werden zudem in isometrischer Ansicht dargestellt, womit der gesamte Bauvorgang nur aus wenigen unterschiedlichen Winkeln beschrieben wird – was durchaus Nachteile haben kann, denn leicht können hierbei Teile durch andere Segmente verdeckt oder die Stelle, an der ein Stein angebracht werden soll, nicht richtig erkannt werden.
Alle neuen Teile werden in einem kleinen Kästchen über dem Bauvorgang angezeigt. Bei Teilen wie Fliesen, Achsen oder großen Plates, bei denen somit eine Verwechslungsgefahr besteht, werden zusätzlich Größenangaben gemacht. Darüber hinaus wird dem Baumeister angezeigt, wenn es sich um verchromte Steine handelt. Die benötigte Teileanzahl pro Bauschritt übersteigt zwar hier und da das Niveau des Marktführers, bleibt aber meist recht übersichtlich.
Der Aufbau
Der Zusammenbau der Big Boy beginnt mit dem Grundgerüst, welches aus diversen 4 × 4 und 4 × 6 Noppen großen Technik-Rahmen geformt wird. Alleine die daraus resultierende Länge zeigt bereits die späteren Ausmaße der Lokomotive ohne Tender. Weiter wird die Grundlage des Führerhauses gelegt, bevor anschließend ein Teil der Antriebsvorrichtungen gebaut wird, die die Kraft von den optionalen Motoren an die beiden Drehgestelle weiterleiten können sollen. Hier gibt es, vielleicht nicht direkt vom Aufbau her aber in der grundlegenden Art und Weise, deutliche Übereinstimmungen mit dem oben genannten MOC.
Sind diese Elemente gefertigt, wird mit weiteren, teilweise 14 Noppen langen Technik-Steinen das Gerüst oben abgeschlossen und mit weiteren Plates stabilisiert, womit ein sehr stabiler Korpus entsteht. Dieser bildet in den weiteren Bauschritten die Grundlage, an der die Verkleidung angebracht wird. Als nächstes Segment wird das Führerhaus weiter ausgebaut, was neben den seitlichen Wänden mit Fenstern und Dach auch verschiedene Bedienelemente beinhaltet. Dieser Aufbau stellt gleichzeitig den Übergang vom ersten zum zweiten Bauabschnitt dar.
Dieser steht ganz im Zeichen der oberen Verkleidung der Big Boy, bei der das Konstrukt mit mehreren Plates weiter verstärkt, aber auch geformt wird. So kommen an diesen Stellen erste Rundungen und Schrägen ebenso wie metallfarbene Teile ins Spiel. Bereits zum Ende des Abschnittes wird die Gestaltung des oberen Teiles der Lokomotive mehr und mehr erkennbar.
Vom Anspruch her gestaltet sich der Aufbau bis hierhin entspannt. Der Baumeister klemmt gemütlich Stein an Stein und muss nur gelegentlich aufpassen, auch alle Steine an die richtige Stelle zu setzen. Komplexe Bautechniken, die eine besonders hohe Konzentration erfordern, gibt es bis hierhin nicht.
So setzt sich der entspannte Aufbau auch im dritten Bauabschnitt fort, bei dem nun die Verkleidung beider Seiten gebaut wird. Hierbei werden zunächst mehrere Plates zu einem langen Segment zusammengesetzt, eine Vielzahl schmalerer Platten sorgt im Anschluss dafür, dass über verschiedene abgerundete Steine und Fliesen die Rundung des Rumpfes erreicht wird. Gleichzeitig kommen einige erste chromefarbene Teile zum Einsatz.
Fragile Sache
Problematisch wird es hingegen bei den Schläuchen, welche die seitlichen Rohre der Lokomtive darstellen sollen. Für diese müssen zwei Schlauchsegmente in der Größe von 16,5 cm angebracht werden. Die Designer haben es jedoch versäumt, in der Mitte, wo sich die einen Enden der Schläuche treffen, für einen vernünftigen Übergang zu sorgen. Da die Schläuche eben elastisch sind, treffen diese an den genannten Übergängen nicht wirklich gut aufeinander – womit auch die Illusion von Rohren genommen wird. Dieser Umstand hätte leicht umgangen werden können, entweder durch ein längeres Schlauchstück oder durch eine Fixierung der jeweiligen Enden. Findige Baumeister dürften das Problem schnell selbst beseitigen, was aber eigentlich nicht ihre Aufgabe, sondern die der Designer wäre.
Eine Geduldsprobe wird dagegen das Anbringen der Seitenteile, da sich hierbei leicht an der einen oder anderen Stelle Teile lösen können, die dann nicht so einfach und ohne Abnahme der Verkleidung wieder anzuklemmen sind. Dazu können die Aufhängung der Leisten am Führerhaus genauso wie die Plates, welche in den ersten Bauschritten auf das Grundgerüst aufgelegt wurden, gehören.
Bei der Fertigung des hinteren Drehgestelles ist es wichtig, genau in die Anleitung zu schauen und die grünen 1 × 2 Steine mit Achsaufnahme sowie die grünen 2 × 2 Plates als Hilfestellung zur Fixierung der Achsen und damit der einfacheren Ausrichtung zu nutzen. Drei der vier Achsen sind per Zahnradkonstruktion miteinander verbunden – bewegt sich also eine der angeschlossenen Achsen, bewegen sich die anderen mit. Das hat einen triftigen Grund, denn ansonsten würden die Räder nicht synchron laufen und durch den Verbund mit der Kuppelstange verhaken. Gleichzeitig sorgt das Konstrukt aber ebenso für einen spürbaren Widerstand beim Rollen. In diesem Segment wird jedoch ebenso deutlich, dass das Jie-Star-Modell nicht für eine Motorisierung ausgelegt ist, da die im oben genannten MOC vorhandene Verbindung des Motors mit den Rädern durch das Drehgestell nicht gegeben ist.
Das zweite und somit vordere Drehgestell wird im Grunde genauso wie das erste gefertigt, nur dass diesem zusätzlich zwei weitere Achsen vorangesetzt werden. Deren Konstruktion sorgt zwar auf eine interessante Art für eine leichte Lenkbewegung, lässt das ganze Bauwerk, auf dem in den weiteren Bauschritten der Cowcatcher angebracht wird, jedoch recht fragil und wackelig erscheinen.
Einfahrt in den Bahnhof
Im sechsten und letzten Bauabschnitt wird schließlich der Tender gefertigt. Der Aufbau verläuft zunächst ohne größere Vorkommnisse, bevor nach den Seitenwänden ein Teil der Abdeckung gebaut werden soll. Hier sollen auf die eine Noppe breiten Wände zwei Halterungen und eine 6 × 2 Noppen große Plate angebracht werden – die im Grunde frei im Raum schwebt und daher in der vorgegebenen Form nicht angebracht werden kann. Hier wäre es sinnvoller gewesen, das Segment separat mit den darüber angebrachten und Stabilität gebenden Fliesen zu bauen und es dann komplett auf das Zugteil aufzusetzen. Zum Schluss noch die drei starren Achsen und die beiden jeweils vier Räder fassenden Drehgestelle auf der Unterseite angebracht und die Lokomotive ist soweit, aus ihren einzelnen Segmenten zusammengesetzt zu werden.
Dazu sind nur noch die sechs zum Set gehörenden geraden Schienen zusammenzusteckten und die Lokomotive anschließend daraufzusetzen. Das ist bei der Größe und dem Gewicht nicht so einfach, denn gerade die beiden großen Achsgelenke lösen sich gerne vom Rest des Vehikels. Ist dies mit viel Geduld dann geschafft, steht ein 74 cm langes Ungetüm auf den Schienen vor dem Baumeister, der dann nur noch die drei beiliegenden Aufkleber aufbringen muss.
Eine Frage der Beweglichkeit
Einmal auf die Schienen gesetzt, stellt sich gleich die entscheidende Frage: Würde die Big Boy auch auf der heimischen Schienenstrecke fahren können? Um es nicht allzu spannend zu machen: Nein, und das aus verschiedenen Gründen. Zum einen dürfte die Lokomotive dafür einfach zu schwer sein. In dem auf den letzten Zeilen immer wieder beschrieben MOC wurden im Inneren des Modells vier Motoren eingebaut, die in diesem Fall aber keine Verbindung zu den Antriebsrädern besitzen. Die normalen Zugantriebe, die im Klemmbausteinbereich immer gerne verwendet werden, würden hingegen zum einen nirgends verbaut werden können, zum anderen dürften diese viel zu schwach für das am Ende 1.332 g schwere Feuerross sein. Weiter besitzen die Antriebsräder keine Gummierung, womit nicht genügend Reibung und somit Widerstand erzeugt wird, um die Kraft auf die Schienen zu bringen – die Räder würden schlicht durchdrehen.
Aber auch ein anderes Problem würde einer problemlosen Fahrt entgegenstehen: Die Limitierungen, denen Eisenbahnen in Modellform und gerade bei Klemmbausteinen unterworfen sind. So könnte das Modell nie ohne Probleme durch die normalen und über einem Radius von 104 cm verfügenden Kurven fahren. Das ist auch nicht verwunderlich, würden diese Abmessungen in die Realität übertragen, wird schnell klar, dass solche Eisenbahnen nie für entsprechende Kurven gebaut wurden. Es gibt zwar mittlerweile einige alternative Hersteller, welche größere Radien anbieten, doch diese sind zum einen oftmals kostspieliger und würden zudem deutlich mehr Platz beanspruchen.
Diese Limitierung wird auch beim vorliegenden Modell schnell deutlich: So schaffen es, aufgrund der eigenen Größe, nicht einmal die beiden mit vier Achsen versehenen Drehgestelle für sich durch eine entsprechende Kurve zu gelangen. Auch ist der Überstand so groß, dass das unter der Fahrerkabine befindliche Drehgestell bei einer Kurvenfahrt förmlich aus den Schienen gehoben wird. Aber noch etwas anderes fällt auf: So sorgt der eher wenig stabile Frontbereich mit den beiden Achsen dafür, dass der angebrachte Cowcatcher auf den Schienen schleift und bei jedem Übergang hängen bleibt. Gleichzeitig wird ebenso deutlich, warum bei der Fertigung der beiden größeren Drehgestelle, zumindest bei einem fahrenden Modell, ebenfalls nicht auf die Nutzung der Zahnräder verzichtet werden sollte: nur diese würden, auch wenn der eigentliche Antrieb über andere Räder umgesetzt werden wird, für eine gewisse Synchronität der beiden Kuppelstangen einer Seite sorgen – wenn sich die eine nach vorne bewegt, bewegt sich die andere nach hinten. Wäre dies nicht der Fall, würde die Gefahr bestehen, dass die Kuppelstange des ersten Achsgelenkes mit der Treibstange des zweiten Drehgestells zusammenstoßen würde.
Somit wird schnell klar, dass die Big Boy von Jie Star lediglich als Vitrinenmodell geeignet ist und wenn nur auf gerade Strecke fahren sollte – was dann doch irgendwo sinnbefreit wäre.
Qualität der Steine
Die Beschaffenheit der verwendeten Steine fällt unterschiedlich aus. In Sachen Klemmkraft sind die verwendeten Bricks nicht zu beanstanden – teilweise kann diese sogar als etwas zu hoch angesehen werden. Die Farbgenauigkeit und Farbgleichheit sind ebenfalls gut, gleiches gilt für die vielen Chrom- und Metallfarbenen Teile. Alles Gebaute wirkt einheitlich und wie eine Fläche, auch gegenüber den Steinen des Marktführers.
Die Oberflächenbeschaffenheit fällt dagegen ab, manche Teile wirken doch recht stumpf. Schlieren sind zwar weniger zu erkennen, dennoch könnten vor allem die Fliesen und glatten Teile etwas mehr Glanz vertragen. Die Fenster sind zwar nicht schwer verkratzt, wirken aber ebenso etwas abgestumpft. Das verleiht der fertigen Lokomotive zwar einen realistischeren „used look“, ein ausgestelltes Modell sollte aber doch eher glänzen.
Die vier Drucke im Set besitzen wiederum eine hohe Qualität, gleiches gilt für die Aufkleber, auch wenn sich deren glänzende Oberfläche doch sichtbar vom Untergrund abhebt.
Fazit
Die Big Boy von Jie Star ist eine schöne Freizeitbeschäftigung, die sich aber nicht immer leicht bauen lässt. Schwierige oder anspruchsvolle Bautechniken finden sich in dem Sinne zwar eher weniger und das Modell unterstreicht über weite Strecken eher das „gemütliche Bauen“ nach einem anstrengenden Arbeitstag, dafür haben es andere Bereiche dann in sich und verlangen schon ein gewisses Maß an Geduld. Daher sollte auch in den entspannteren Teilen immer in die gut verständliche Anleitung geschaut werden, um nicht doch von den anspruchsvolleren Segmenten überrascht zu werden.
Ein detailgetreues Modell aus Klemmbausteinen herzustellen dürfte bekanntermaßen ein Ding der Unmöglichkeit sein. Hier sollte sich der Baumeister keiner Illusion hingeben, denn auch die Version der Big Boy von Jie Star lässt keine Ausnahme zu. So sind manche prägnanten Stellen wiederzuerkennen, auf der anderen Seite fehlen wichtige Dinge – wie unter anderem die vielen Verbindungsstreben an den Rädern. Gleichzeitig offenbart das Modell Ungenauigkeiten, welche leicht zu umgehen gewesen wären – wie unter anderen die Berührungspunkte der Schläuche an den Seiten, die die Rohre darstellen sollen und die sich an ihren Enden nicht gut treffen. Hier wäre eine entsprechende Lösung sehr einfach umzusetzen gewesen.
Darüber hinaus eignet sich das fertige Modell aufgrund seiner Größe und Beschaffenheit nur als Vitrinenmodell, was nicht zuletzt auch daran liegt, dass sich einige Segmente als äußerst fragil erweisen. Eine fahrbare Version würde aufgrund des Gewichts des Modells aus dem Technik-Bereich bekannte Motoren als Antrieb voraussetzen und selbst dann könnte das Ungetüm dennoch durch keine normale Kurve fahren, ohne dass an irgendeiner Stelle Achsen aus den Gleisen springen würden.
Die Steinequalität fällt solide aus, lässt aber ebenso Luft nach oben. Klemmkraft und Farbgleichheit gehen in Ordnung, an der Oberflächenbeschaffenheit muss Jie Star aber noch arbeiten – Fliesen und glatte Steine wirken oftmals stumpf und lassen den von anderen Steineherstellern bekannten Glanz vermissen.
Anmerkung zum Review
Der Big Boy wurde Just Bricks freundlicherweise von freakware für diesen Review kostenlos zur Verfügung gestellt. Eine Einflussnahme auf den Artikel fand nicht statt, eine Verpflichtung zur Veröffentlichung bestand ebenfalls nicht.
>> Die Big Boy (59005) von Jie Star bei freakware
Jie Star 59005 – The Big Boy im Review – Slideshow
Jie Star 59005 - The Big Boy im Review
- großes Modell
- verständliche Anleitung
- Oberfläche der Teile wirkt oftmals abgestumpft
- Modell an manchen Stellen recht fragil