Die Corner Mall von Zhe Gao stellt ein schönes Modell mit großen und langem Bauspaß dar – wenn es zeitlich eingeordnet werden kann. Durch das erneute ungefragte Bedienen an der MOC-Gemeinschaft sowie das krampfhafte Überführen in die aktuelle Zeit durch modern gekleidete Figuren dürften die meisten Baumeister lange nicht wissen, was sie da eigentlich bauen – ein Einkaufszentrum ist es jedenfalls nicht, so viel sei bereits verraten.
Das Modell
Das Set des Eck-Einkaufszentrums ist hierzulande für rund 110 Euro zu erstehen. Für diesen Geldwert erhält der Nutzer ein Set bestehend aus 3.474 Teilen, aber, wie für Zhe Gao leider üblich, erneut ebenso ein nicht lizenziertes MOC. Dieses beruht auf „Victor’s Lab“ von Łukasz Libuszewski aus dem Jahr 2018, wobei dieses in der vorliegenden Form, zumindest von den Figuren her, aus dem viktorianischen England in die aktuelle Neuzeit überführt wurde. Der Hintergrund für das Vorgehen dürfte der sein, dass sich das Modell nahtlos in die Street-View-Serie einreihen können soll. Eine Klemmbausteinreise ins frühe 19. Jahrhundert hätte jedoch auch etwas für sich gehabt.
Nicht ohne das Original
Somit soll an dieser Stelle erneut wieder auf den Erwerb der Original-Bauanleitung hingewiesen werden, welche für 23 Euro erhältlich ist. Damit wird der Designer für seinen großen Aufwand entsprechend entschädigt und der Käufer kann das Set mit ruhigem Gewissen als Teilespender nutzen. Für beide Seiten wäre dies, abgesehen von einer offiziellen Lizenz seitens des chinesischen Herstellers, eine Win-Win-Situation, wie es so schön auf Neudeutsch heißt. Die Steine vom dänischen Marktführer zu nutzen würde deutlich teurer werden – laut moc-together.nl knapp unter 500 Euro, womit das Modell für eine nicht geringe Zahl von Baumeistern weniger erschwinglich sein dürfte. Auf anderen Portalen, wie Bricklink, dürfte der Preis sicherlich nicht geringer ausfallen.
Die benötigten Steine werden dabei, wie von Zhe Gao gewohnt, in einem großen und schön gestalteten Karton mit drei kleineren sowie nicht minder ansehnlichen Boxen geliefert, die gleichzeitig die einzelnen Bauabschnitte beziehungsweise Module repräsentieren. Die größte der Boxen enthält zudem neben den Steinen für das Erdgeschoss auch die 32 × 32 Noppen große Basisplatte sowie die Bauanleitung. Erstere ist, wie bei anderen Sets des chinesischen Herstellers, an den Seiten leicht nach oben gebogen. Der Bauverlauf wird zeigen, ob sich dies am Ende wieder geben wird.
Das Set beinhaltet darüber hinaus 61 Tüten, was rund 57 Steinen pro Tüte entspricht.
Die Anleitung
Die Bauanleitung umfasst 247 Bauschritte auf insgesamt 68 Seiten und wird in DIN-A4-Größe bereitgestellt sowie im Querformat betrachtet. Die Bauschritte werden in 9 Abschnitte unterteilt, welche auf den Tüten vermerkt sind. Im Großen und Ganzen sind die einzelnen Schritte übersichtlich gestaltet, aber nicht selten sind die Darstellungen zu klein gewählt. Gerade wenn die Fläche des kompletten Modells abgebildet wird, muss ganz genau hingeschaut werden, da bei 4 Bauschritten pro Seite nicht viel Platz bleibt. Wenn es kleiner wird, stellt Zhe Gao auch mal gerne bis zu 6 Bauschritte auf gleicher Fläche dar. Werden komplette Segmente hinzugefügt, wird der Aufbau in kleinen Unterschritten erklärt.
Zhe Gao verfolgt bei seiner Darstellung das Prinzip der Reduktion, was bedeutet, dass nur neue Teile in ihren Farben und kompletter Deckkraft dargestellt werden, wogegen der Rest in einem hellen Grau-Blau erscheint. Das sorgt jedoch in nicht wenigen Fällen für eine weniger ausreichende farbliche Abgrenzung zum bereits Gebauten. Darüber hinaus hebt der chinesische Hersteller in der Anleitung, im Gegensatz zu manchem Konkurrenten, die neuen Teile nicht mit einer Umrandung nochmals hervor. Erschwerend kommt hinzu, dass zu den neuen Teilen im entsprechenden Kasten keine Längenangaben bei schwer zu erkennenden Komponenten angegeben werden. Dies hätte aber gerade Anfängern die richtige Auswahl der Teile merklich erleichtert. Die Anzahl der pro Schritt verbauten Teile fällt deutlich höher als bei Lego aus, dennoch verbleibt die Menge mit 30 bis 40 Einheiten übersichtlich. An die Vorgaben von Wange reicht Zhe Gao somit nicht heran.
Eigene Reihenfolge
Hinzu kommt, dass die Abfolge der Bauschritte nicht in der gewohnten Form von links nach rechts erfolgt, sondern in Spalten von oben nach unten. Es kann daher einige Bauschritte dauern, bis sich der Baumeister daran gewöhnt hat – bis dahin wird sich nicht nur einmal verbaut.
Verbesserungswürdig ist ebenso die Darstellung der Farben, welche an einigen Stellen deutlich von der der realen Steine abweicht. Das kann vor allem bei den zu Anfang aufgelegten Fliesen zu Problemen bei der Farbauswahl führen, vor allem weil die Steineauswahl keine Rückschlüsse auf die jeweilige Farbe zulässt, wie es bei anderen Sets oft der Fall ist. Somit bleibt erneut festzustellen, dass es der chinesische Hersteller Neueinsteigern sowie Umsteigern nicht unbedingt leicht macht. Das Mindestalter wird wie gewohnt mit sechs Jahren angegeben, doch das ist beim geforderten Anspruch nicht einmal mehr als sehr optimistisch zu bezeichnen. In Kombination mit der Bauanleitung richtet sich das Set definitiv an Jugendliche und Erwachsene.
Der Aufbau
Der Aufbau beginnt wie bei Zhe Gao gewohnt mit dem Zusammenbau der Figuren. Baumeister die schon mal ein Set des chinesischen Herstellers gebaut haben dürften es genauso gewohnt sein, dass diese aus ihren Einzelteilen zusammengesetzt werden. Das bedeutet im Genauen: Beine an das Kunststoffbecken, den Rumpf und das Skelett daraufgesetzt, gleiches gilt für den Kopf und die Haare. Anschließend werden die beiden Armteile am Ellenbogengelenk zusammengefügt und die Hände angesteckt, bevor das Konstrukt an das Schultergelenk angefügt wird. Die Ellenbogengelenke stellen dabei nach wie vor die Schwachstelle der Figuren dar und sind weiterhin der beste Beweis dafür, dass mit der Originaltreue auch übertrieben werden kann. So zeigt sich das Gelenk als nicht besonders stabil, womit Ober- und Unterarm bereits bei der kleinsten Bewegung auseinanderfallen. Das ist bedauerlich, da die Figuren durchaus einige Vorteile gegenüber den Ausführungen des Marktführers besitzen. So lassen sich die Beine auch in einem gewissen Umfang zur Seite bewegen und durch das Schultergelenk können die Arme nicht nur nach vorne und hinten, sondern ebenfalls seitlich ausgerichtet werden.
Die Schilderungen verdeutlichen zudem erneut, dass das Set nicht für Kinderhände geeignet ist, neben der in dem Alter oftmals fehlenden Feinmotorik dürfte den Sprösslingen ebenso schnell die Geduld ausgehen. Und womit? Mit Recht.
Erst die Arbeit, dann das Vergnügen?
Der Zusammenbau der Figuren könnte auch etwas von einer Prüfung besitzen: Ist der Abschnitt erfolgreich gemeistert, stellt der Rest kein wirkliches Hindernis mehr dar. So darf der Baumeister nach diesen endlich an den eigentlichen Set-Aufbau, welcher für Modulars üblich mit dem Anbringen der Fliesen und der Grundfläche des Gebäudes auf der Basisplatte beginnt. Hier ist besondere Aufmerksamkeit gefragt, da gerade bei den kleineren Steinen des Weges, welcher später durch das Tor und den Torbogen führen wird, die richtige Reihenfolge zu beachten ist – rutscht der Blick einmal ab und schwindet die Orientierung, kommt auch die Klemmfolge durcheinander. Erschwert wird der Umstand durch die bereits beschriebene Diskrepanz zwischen den Farben in der Bauanleitung und der auf den Steinen. Hier vergeht erst einmal eine gewisse Zeit, bis der Baumeister erkannt hat, welche Fliesen in der Bauanleitung am Ende auch gemeint sind. Daher benötigt der erste Bauabschnitt mit zwei Stunden deutlich länger als es die Steineanzahl zu Anfang vermuten lässt.
Der Spaß beginnt…
Der zweite Bauabschnitt hält einige Überraschungen parat, auch was Bautechniken angeht. Zunächst wird in diesem das Fundament des Erdgeschosses weiter ausgebaut. Dazu werden einige Wände hochgezogen und die Verkaufstheke mit kleiner Kasse gebaut. Dann wird es interessant: So werden die beiden Frontwände nicht wie gewohnt von unten nach oben gezogen, sondern als SNOT (Studs Not On Top) gebaut, was in dem Fall die Baurichtung von außen nach innen bedeutet. Je nach Umsetzung und Anwendung bietet diese Bautechnik andere Gestaltungsmöglichkeiten sowie Formen, welche in ihrer Ausführung und Stabilität mit der eher „traditionellen“ Bauweise nicht ohne Weiteres umzusetzen wären. Im vorliegenden Fall wird auf diese Art die Frontfassade gebaut, was zwar ein wenig Fingerspitzengefühl erfordert, aber am Ende recht stabil ist und vor allem dem Gebäude einen ganz anderen „Anstrich“ gibt. Es sei zudem bereits verraten, dass es nicht bei dem einen Ausflug in diese Bautechnik bleiben wird. Aufgrund des Detailreichtums entfällt bereits ein Großteil der erneut über 2 Stunden andauernden Bauzeit auf die beiden Wände.
Die kennen wir doch…
Anschließend wird der Schaufensterbereich und der Innenraum eingerichtet. Hier dürfte dem geneigten Baumeister auffallen, dass neben den eigenen Figuren für die Darstellung der Jacken (oder sollen es Pullover oder Hemden sein?) und für die Hosen Teile verwendet werden, die stark an die Minifiguren aus Dänemark erinnern. Hier stellt sich die Frage, ob es sich hierbei bereits um eine Rechteverletzung handelt. Manche Fachleute vertreten jedoch die Meinung, dass Lego nur den 3D-Schutz auf die komplette Figur besitzt, dieser Schutz aber nicht für einzelne Teile gilt. Ein Geschmacksmuster hält Lego auf diese Steine dem Anschein ebenfalls nicht.
Auffällig sind dabei die beiden Schaufensterpuppen, welche an die Frontscheiben gestellt werden sollen, wobei die rote Figur seltsamerweise nur lose hineingestellt wird und damit sehr wackelig steht, die mit Anzug und Zylinder jedoch auf eine schwarze 2 × 2 Noppen große Plate geklemmt wird. Das besitzt jedoch den Nachteil, dass diese Figur nicht wie in der Anleitung beschriebenen aufgestellt werden kann, da sie mit ihrer Kopfbedeckung zu groß ist. Als Ursache kann aber nicht die Größe der Figuren von Zhe Gao herangezogen werden, da diese mit der im originalen MOC verwendeten Variante des Marktführers in dieser Hinsicht übereinstimmen.
Zum Schluss noch die beiden Türen mit den leicht zerkratzten Scheiben einsetzen und schon geht es ans neue Steinesortieren für den dritten Bauabschnitt.
In diesem werden, neben der Weitereinrichtung des Verkaufsraumes, die Mauern an diesem sowie am Durchgang weiter hochgezogen und das Erdgeschoss fertiggestellt. Dieser Abschnitt hält keine spektakulären Bautechniken bereit, hier ist für die nächste Stunde gemütliches und entspanntes Stein-auf-Stein-Bauen angesagt. Am Ende wird noch die interessant gefertigte Regenrinne am Schaufenster sowie die Verzierung des Torbogens angebracht sowie die Seitenmauer des Verkaufsraums eingefügt – und weiter geht es zum ersten Stock und damit zum nächsten Karton.
Etwas Seltsames geht vor…
Mit diesem wird das komplette erste Stockwerk gebaut – und dieses hat es in sich, soviel sei an dieser Stelle bereits verraten. Alles beginnt hier, wie immer, mit dem Zusammenbau des Bodens und dem „Fliesenlegen“. Nach den beiden Lagen bäumt sich das Konstrukt an den Enden noch ein wenig auf, was sich aber im weiteren Bauverlauf geben wird.
Anschließend werden Segmente gebaut, bei denen sich die Bedeutung erst viel später erschließt, und die mit dem Namen des Modells nicht zu tun haben wird. So wird eine Wasserstelle gebaut, welche zunächst auf eine Art Badewanne schließen lässt – was nicht ganz so verkehrt ist. So werkelt der Baumeister die erste der rund fünf Stunden Bauzeit für diese Etage vor sich hin, hoffentlich darauf bedacht, immer ein genaues Auge auf die Anleitung zu werfen. Da das bereits gebaute Werk sehr oft gedreht werden soll, kann schnell die Orientierung verloren gehen. Auf der anderen Seite erwartet diesen in den nächsten Abschnitten ein abwechslungsreicher Bau mit ebenso abwechslungsreichen Bautechniken. Als Erstes seien hier die Fenster der rechten Seitenwand genannt, welche sich aus den Teilen zusammensetzen, welche sonst meist als „Rückenlehnen“ der der Mini-Figuren oder als Halterungen verwendet werden. Weiter werden wie beim Erdgeschoss die beiden gründen Fassen als SNOT gebaut, also wieder von außen nach innen. Interessant sind dabei vor allem die Befestigungen, mit denen die beiden Segmente mit dem restlichen Bau verbunden werden und was diesen die Stabilität verleiht. Neulinge können gerade hier für eigene MOCs sehr viel lernen.
Dann baut der Baumeister weiter, fertigt Möbel wie den Schreibtisch, aber auch seltsame Apparaturen, welche erst einmal nicht zugeordnet werden können. Darüber hinaus verwendet das Modell eine Funktion, welche bisher in dieser Form in den Reviews von Just Bricks nur beim Music Store von Happy Build (Review) beobachtet werden konnte: Eine zu öffnende Rückwand, die den Blick auf das Innere freigibt – und der später noch benötigt wird.
Nachdem die Etage nach rund fünf Stunden fertiggestellt wurde, könnte dem einen oder anderen Baumeister mit Blick auf das Original-MOC, dessen Namen und der Zeit, in welcher dieses angesiedelt ist sowie mit ein wenig Kenntnis der damaligen Literatur bereits dämmern, was es mit dem Stockwerk auf sich hat – auch wenn der Roman selbst, entgegen vielen Verfilmungen, in Deutschland spielt.
Das Modell offenbart sich
Das Dachgeschoss, welches in den letzten knapp drei Stunden gefertigt wird, hat es noch einmal in sich und wird ebenso zunächst mit zwei Schichten Plates begonnen. Nach Anbringen von ein paar Verzierungen wird auf den Streben des rechten Dachbodens ein Zugmechanismus gefertigt, dessen Funktion sich jedoch erst gegen Ende des Bauvorhabens offenbart. Bis dahin werden aber zunächst abwechselnd das Dach und der kleine Abschluss des bereits im ersten Stock begonnenen Erkers gefertigt. Auch hier greift der Designer des originalen MOCs für ein detaillierteres Äußeres auf viele verschiedene Bautechniken zurück. Bei dessen Dach kommen darüber hinaus Freunde des meditativen Bauens auf ihre Kosten, wenn insgesamt 166 kleine Dachziegel, auch als „Käseecken“ bekannt, akkurat auf Plates gesetzt werden sollen.
Anschließend werden beide Dächer zum Abschluss gebracht und die Gauben auf der rechten Seite gebaut. Zu guter Letzt wird noch eine zur Liege umfunktionierte Leiter an die beiden aus dem Dachstuhl herabhängenden Haken befestigt und nach neun Stunden Bauzeit dürfte es dem einen oder anderen Baumeister dämmern, an welchem literarischen Ort dieser in den Räumlichkeiten des ersten Stockwerkes gelandet ist: Im Labor eines gewissen Victor Frankenstein…
Qualität der Steine
Die Steinequalität der Corner Mall fällt generell gut aus, besitzt aber ebenso einige Schwächen. Dies rührt nicht zuletzt daher, weil Zhe Gao dem Anschein nach die Teile für das Set bei verschiedenen Herstellern eingekauft hat. Dies wird vor allem durch unterschiedliche Angusspunkte bei Steinen gleicher Größe aber unterschiedlichen Farben deutlich. Bei einigen Teilen konnte zumindest Lele als Produzent ausgemacht werden.
Der Umstand der unterschiedlichen Hersteller dürfte auch Grund für die Farbabweichungen sein, die sich zwar in Grenzen halten, bei genauerem Hinsehen aber erkennbar sind. Auch gegenüber den Steinen des Marktführers gibt es leichte Unterschiede zu beobachten. Die Oberflächenbeschaffenheit der Steine fällt ebenso unterschiedlich aus, einige wenige Steine und Fliesen wiesen im getesteten Set deutliche Kratzer auf, andere waren hingegen völlig in Ordnung. Problematisch waren wieder einmal die Scheiben, welche ebenfalls teils kräftige Furchen verpasst bekommen haben. Zu kritisieren sind zudem die teilweise an ungünstigen Stellen vorhandenen Gusspunkte, welche sich durch eine entsprechende Anordnung nicht immer kaschieren ließen. Etwas ungewöhnlich waren auch die Nasen an manchen 1 × 4 Fliesen, welche an den Kanten lagen. Die Klemmkraft der Steine war dagegen zu jedem Zeitpunkt sehr gut.
Das Set führt zudem, von den Figuren einmal abgesehen, vier Prints, welche ebenfalls guter Qualität waren.
Fazit
Das „Corner Mall“-Set von Zhe Gao bietet zu einem attraktiven Preis rund neun Stunden guten Bauspaß mit interessanten Bautechniken, welche besonders Einsteigern im Bereich der Modular-MOCs viel Inspirationspotenzial bieten können. Der Bau wird zu keiner Zeit langweilig, selbst wenn es an der einen oder anderen Stelle auch mal zu sich immer wiederholenden Handgriffen kommt.
Die Steinequalität ist jedoch ein wenig wechselhaft, besonders die Farbgleichheit leidet teilweise. Grund könnte hier der Griff zu verschiedenen Herstellern der Teile seitens Zhe Gao sein. Auch die Oberflächen der Steine sehen an manchen Stellen etwas ramponiert aus, die Fliesen wirken nicht selten abgestumpft. An der Klemmkraft gibt es dagegen nichts auszusetzen. Darüber hinaus haben sich die im ersten Abschnitt des Reviews vermerkten, hochgezogenen Ecken der Basisplatte im Laufe des Bauvorganges wieder begradigt.
Aber vor allem die grundlegende Gestaltung mit den vielen Verzierungen und der Einrichtung weiß zu überzeugen. Auch die Kombination von traditionellen Baustilen sowie neueren Bautechniken weiß zu harmonieren. Dabei ist der Aufbau stets fordernd, aber immer zu meistern. Die Anleitung erhöht die Anforderungen, in dem viele Bauschritte auf einer Seite gezeigt werden und es daher nicht immer leicht ist, den Überblick zu behalten. Auch dass manche angezeigten Farben nicht mit denen der Steine übereinstimmen, fordert heraus. Anfänger dürften sich sicherlich deswegen das eine oder andere Mal verbauen. Umso größer ist die innere Zufriedenheit, wenn das Set irgendwann fertig vor einem steht. Da können kleine bauliche Fehler verziehen werden, wie der, dass die Puppe mit dem Zylinder nicht wirklich in die Auslage passt – denn alles in allem ist das Modell am Ende ein wahrer Hingucker. Und genau hier liegt das Problem – man muss das Haus verstehen und einordnen können, um das wahre Potenzial zu erkennen.
Zhe Gao, warum machst Du es uns nur so schwer?
Und das ist nicht ganz einfach, denn Zhe Gao unterliegt erneut dem Fehler, einfach ein – wenn auch sehr schönes – MOC ohne Lizenz zu übernehmen und dieses ohne große Überlegung in die Neuzeit zu übertragen. Dann wird „Victor’s Lab“ mal eben zur „Corner Mall“ und das nur, weil im Erdgeschoss ein Bekleidungsgeschäft seinen Platz gefunden hat. Dass dieses im originalen Modell nur eine Nebenrolle spielt, ist dem chinesischen Hersteller nicht aufgefallen. Denn der eigentliche „Star“ des Ensembles findet sich im ersten Stock. Nur diesen werden viele Baumeister nicht zuordnen können – weil es einfach nicht in die Zeit passt, welche die Figuren wiederum darstellen sollen. Hinzu kommt bei diesen, dass ein zusätzliches Armgelenk zwar schön ist, dieses aber nichts nützt, wenn Ober- und Unterarm bei der kleinsten Berührung meinen, getrennte Wege gehen zu müssen. Obwohl – in dieser Form könnte es wiederum zu den Vorkommnissen im ersten Stock passen.
Wer in dem Metier beheimatet ist oder zumindest die Zeitzuordnung des Originals kennt, wird beim Bau zunächst an ein altmodisch automatisiertes Spa im Steampunk-Stil denken…bis sich die Puzzle-Teile am Ende immer mehr zusammenfügen zu – Victor Frankensteins Labor. Dazu noch die Inneneinrichtung mit vielen liebevoll gestalteten Details und Anleihen – da spielt es am Ende gar keine Rolle, ob der Name des Bekleidungsgeschäftes eine Anspielung auf den italienischen Schauspieler Loris Loddi, der in der italienischen Synchronisation des US-Fantasy-Filmes „Van Helsing“ Dr. Viktor Frankenstein seine Stimme leiht, oder doch reiner Zufall ist.
Beim Original würden literatur- oder filmfeste Baumeister sicherlich schneller den Zusammenhang erkennen, ist dieses doch im viktorianischem Zeitalter angesiedelt – auch wenn dieser Zeitabschnitt streng genommen die Amtszeit Königin Victorias von 1837 bis 1901 umfasst, der Roman „Frankenstein oder Der moderne Prometheus“ („Frankenstein or The Modern Prometheus“) von Mary Shelley jedoch bereits im Jahre 1818 erstmals anonym von der damals gerade erst 20-jährigen Autorin veröffentlicht wurde. Auch dass die Geschichte des Romans hauptsächlich in Ingolstadt spielt, dürfte dem Modell keinen Abbruch antun, denn schließlich wurde diese in zahlreichen Filmen genau in das abgebildete Zeitalter übertragen.
Es hätte dem Modell somit gutgetan, es in seiner angedachten Zeit zu belassen, statt einfach ein paar modern ausschauende Figuren drum herumzustellen, die mit dem „Inhalt“ nichts zu tun haben. Das hat das Set einfach nicht verdient.
Es wird aber noch ein anderes Problem deutlich: Die Street-View-Serie umfasst einige schöne Modelle, die sich in jedem Straßenzug gut machen würden. Umso schöner wäre es, wenn Baumeister diese mit ruhigem Gewissen kaufen könnten – sprich, wenn Zhe Gao diese mit einer offiziellen Lizenz veräußern würde. In der letzten Zeit haben dies immer mehr Hersteller begriffen, auch wenn bei mancher Umsetzung eindeutig noch Luft nach oben herrscht. Dennoch ist ein Anfang gemacht. Daher wäre es schön, wenn Zhe Gao zukünftig auch zu diesem Kreis gehören würde.
Anmerkung zum Review
Die Corner Mall (QL0919) von Zhe Gao wurde Just Bricks freundlicherweise von Klemmbaustein-Welt für diesen Review kostenlos zur Verfügung gestellt. Eine Einflussnahme auf den Artikel fand nicht statt, eine Verpflichtung zur Veröffentlichung bestand ebenfalls nicht.
>> Zhe Gao QL0919 – Corner Mall be Klemmbaustein-Welt
Zhe Gao QL0919 – Corner Mall im Review – Slideshow
Zhe Gao QL0919 - Corner Mall im Review
- sehr schönes Modell (wenn es eingeordnet werden kann)
- langer Bauspaß
- abwechslungsreicher Bau
- fordernder Bau
- schöne Bautechniken
- viel Liebe zum Detail
- gutes Preis-Leistungsverhältnis
- unlizenziertes MOC
- der eigentliche Kern des Modells geht durch die willkürliche Versetzung in die Neuzeit verloren
- teils erkennbare Farbabweichungen
- manche Farben stimmen in der Bauanleitung nicht überein
- Gussnasen liegen bei einigen Steinen an ungünstigen Stellen und sind daher oftmals sichtbar
- Scheiben sichtbar zerkratzt
6 Kommentare
brickolo
Mist, jetzt habt ihr mich wieder auf den Geschmack gebracht. Bisher hat mich von den an sich schicken Zhe Gao Modulars immer die eher durchschittliche Qualität der Steine abgeschreckt. Aber Frankensteins Labor? Klingt zu interessant. Auch die Bautechniken machen Appetit. Nur dieses Schlammgrün will mir noch nicht so recht gefallen. Vielleicht auch lieber die Anleitung kaufen und was eigenes draus machen.
Michael Schäfer
Auch wenn Du das machen würdest, hätte unser Review ja etwas bewirkt…;-)
Das Problem bei Zhe Gao ist wirklich die unterschiedliche Steinequalität – es gibt Sets, bei denen sie wirklich gut und welche, wo sie eher Durchschnitt ist. Generell sind es aber immer schöne Modelle. Noch schöner wären sie aber mit einer Lizenz..;-)
Kalgani
Das “Schlammgrün” wirkt in Realität einfach nur passend.
Sehr tolles Set, was man gut auch über mehrere Abende verteilt bauen kann.
Das einzig wirkich nervige war für das aufsetzen des Erker Dach.
Da hätte ich mit meinen “dicken Fingern” das Ding fast aus dem Fenster geworfen. 😉
5N00P1
Also das MOC mit den entsprechenden Figuren sieht schon Hammer aus, auch hier, hat mich auf den Geschmack gebracht.
Die Frage ist nur, was zahle ich für Mondpreise für die Figuren?
Runge
Hallo,
habe dieses Set Februar 2020 gekauft ?
Leider bin ich von den Steinen nicht begeistert , zumindest in meinen Set waren die so mit Weichmacher belastet das ich dieses Set nicht aufgebaut bekam (bis heute)
Ein bauen war nicht möglich , ich fing an zu schwitzen und es juckte überall, paar mal versucht da habe ich die Steine in die Waschmaschine geschmissen und selbst danach habe nicht weiterbauen können und seit dem liegen die in einem alten Schrank.
Schade, das Problem hatte ich heute auch wieder es gibt Sets von Snoopy einige kleine Sets habe ich noch bauen können aber den Frisiersalon absolut nicht Plates und Fliesen verbogen und ich hab die teile sofort in ein Karton verpackt , da hörte das das unangenehme jucken und schwitzen auf .
Michael Schäfer
Hallo Klaus,
hast Du das Set denn bei einem hiesigen Händler gekauft oder direkt aus China kommen lassen? Bei Letzterem kann es dann gut möglich sein, dass ein anderes Granulat zur Verwendung kam. Aber ich hatte etwas ähnliches bei dem Baustellenset J5762 (Review) von Woma gehabt – das hat übelst nach Öl oder Treibstoff gerochen. Das kann auch mal passieren -auch wenn es das nicht sollte.
Von welchem Hersteller waren die Snoopy-Sets? Und wie hast Du diese bezogen? Die Sets von Linoos, die wir hier hatten, waren alle einwandfrei.